Berufsbild / Rollenbild Controller
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Inhaltsverzeichnis
- 1 Berufsbild / Rollenbild Controller
- 2 Auftrag und Rolle des Controllers
- 3 Entwicklungen im Berufsbild – Spezialisten vs. Generalisten
- 4 Entwicklungen im Berufsbild – Harmonisierung des Rechnungswesens
- 5 Entwicklungen im Berufsbild – Digitalisierung
- 6 Würdigung und Zusammenfassung
- 7 Quelle
- 8 Ersteinstellende Autoren
Berufsbild / Rollenbild Controller
Das Informations- und Rechnungswesen war Anfang der 70er Jahre die Arbeitsbezeichnung, um die Controllerfunktion deutschsprachig zu umschreiben. Es wird aber nicht einfach nur gerechnet, weil man es gesetzlich muss – nach handelsrechtlichen oder steuerrechtlichen Vorschriften. Gerechnet wird zum Zweck, dem Management ergänzende Informationen zu beschaffen, die der Normengeber erst gar nicht fordert oder in anderer Form aufbereitet haben will, als es für unternehmensinterne Zwecke nötig ist. Das Informations- und Rechnungswesen drückt aus, was sinngemäß die amerikanischen Kollegen mit „Management Accounting“ umschreiben – also das Accounting for the Management. Im Klartext: Informationen sind vom Umfang und der Art her mehr als nur (externes) Rechnungswesen. Die Informationen werden um weitere Informationen angereichert und zu Kennzahlen verdichtet. Viele Kennzahlen, nicht nur z. B. in einer Balanced Scorecard, sind zwar Zahlen ‒ wie etwa ein Index für Kundenzufriedenheit oder die Anzahl beantworteter E-Mails oder eine Auslieferung am selben Tag ‒, aber sie werden nicht allein aus dem Rechnungswesen, sondern auch aus anderen Datenerfassungswerken generiert. Typische Quellen wären beispielsweise Informationen über den Kunden aus dem Customer Relationship Management (CRM) oder BDE (Betriebsdatenerfassung)-Daten aus der Produktion. Der Typ Information, der durch ein management-geeignetes Rechnungswesen zu liefern ist, kann in zwei große Kategorien eingeteilt werden:
• Information/Rechnung als Entscheidungshilfe: Welche Alternative lohnt sich mehr? Dies betrifft den Komplex des „Decision Accounting“.
• Rechnung zur Konkretisierung persönlicher Ziele. Das „Responsibility Accounting“ fragt nach der Zuständigkeit und nach dem Kümmerer um die in den Zahlen ausgedrückten Sachverhalte; damit werden es Ziele. Kümmern kommt übrigens von Kummer: Es braucht also Menschen, die sich Kummer machen.
Der Aspekt Führung durch Ziele in der Anwendung des Rechnungswesens liefert die Methodik und Denkweise für „Management by objectives“ – MbO. Dieses Führungsmodell im Informations- und Rechnungswesen ist ein Controlling-Führungsmodell mit den Spielregeln des Self-Controllings. Mitarbeitern kann eine eigenverantwortliche Selbststeuerung umso eher gewährt werden, je seriöser sie planen, je eher sie sich an getroffene Vereinbarungen halten und sich bei Abweichungen schnellstmöglich melden. Ein anderer Begriff als MbO, der aktuell mehr in Mode ist, aber im Kern auf gleichen Ideen basiert, wäre Objectivs & Key Results (OKR). Egal ob MbO oder OKR – beide haben eine enge Verbindung zum Gedanken des Self Service BI. Auch das Informations- und Rechnungswesen drückt eine Rollenbeziehung aus. Der Beruf des Controllers besteht darin, die Rolle des Informierenden, des Sparringspartners, des In-Frage-Stellenden, des „Advocatus Diaboli“ zu übernehmen. Er sieht und findet die Schwächen und Risiken im Voraus. Gute Controllerarbeit ist damit immer auch Risiko-Management.
Auftrag und Rolle des Controllers
• Das Aufgabenbild betrifft den Sachaspekt, das „WAS“. Was muss man gelernt haben und können, um eine Aufgabe zu erfüllen? • Die Rolle hingegen zielt auf das Verhalten, während diese Aufgabe ausgeführt wird, ab ‒ also das persönliche „WIE“.
In seiner Rolle ist der Controller als ökonomischer Begleiter für das Management eingesetzt; d. h., er mischt sich ein. Nur so kann er situationsgeprägt und entscheidungsrelevant beraten. Controller müssen in der Lage sein, ungefragt zu beraten. Damit ein Controller eine Auswahl im Bericht treffen kann, muss er wissen, woraufhin er auswählen soll. Das setzt den regelmäßigen Dialog mit dem Management voraus – und zwar immer wieder nach dem „Jour-fixe-Prinzip“.
Um die Controllerfunktion auszufüllen, muss man nicht zwingend aus dem Rechnungswesen kommen. Ein Produktmanager kann ebenso die Rolle des Controllers einnehmen – besonders geeignet ist er z. B. als Marketing-Controller. Auch Mitarbeiter/-innen, die aus der technischen Arbeitsvorbereitung kommen, können in die Controllerrolle hineinwachsen, z. B. über die Kalkulation als Zwischenstation aus Produktion, Einkauf, Konstruktion oder Verkauf. Die Kernkompetenz des Controllers liegt wohl im Rechnungswesen oder/und der IT. Ein dezentraler Controller kann aber in den Bereich heranwachsen, den er betreut. Für einen Controller z. B. im Bereich der Forschung dürfte dies sogar empfehlenswert sein. Je spezifischer die Tätigkeit einer Abteilung ist, desto wichtiger ist es für das Controller-Team, für die Sachthemen (WAS) das nötige Know-how in gleichem Maße, d. h. in ähnlicher Detailtiefe, wie die Manager zu besitzen. Das ist zugleich der Hauptunterschied zur zentralen Controller-Abteilung, die vor allem über Methoden-Kompetenz verfügen muss, weil sie Richtlinienkompetenz ausübt.
Entwicklungen im Berufsbild – Spezialisten vs. Generalisten
Wie andere Berufsbilder auch hat sich das Controlling über die letzten Jahrzehnte erheblich gewandelt. Ausgehend vom Kernthema Kostenrechnung, insbesondere im Bereich der Produktion, sind über die Jahre die unterschiedlichsten Themenfelder hinzugekommen. Damit war über Jahre eine erhebliche Spezialisierung im Controlling zu beobachten. So finden sich heute in großen Unternehmen Kolleginnen und Kollegen, die ausschließlich Einkaufs-Controlling, Produktions-Controlling, F&E-Controlling, Vertriebs-Controlling, Risiko-Controlling usw. betreiben. Gelegentlich wird an dieser Stelle auch vom sogenannten „Bindestrich-Controlling“ gesprochen. Diese Entwicklung kann als positiver Beleg dafür gewertet werden, dass Controller-Leistung vom Management anerkannt wird und flächendeckend alle Bereiche der Firma umfasst. Andererseits führt zunehmende Spezialisierung aber auch dazu, dass es zumindest in Zentralbereichen eine Controlling-Abteilung braucht, die den Überblick über das Gesamte behält. Nur so können das sogenannte „Silo-Denken“ unterbunden und nicht miteinander kompatible Bereichslösungen (insbesondere im Bereich der Kennzahlen) verhindert werden. Zu einer guten Controlling-Arbeit gehört daher immer auch die Fähigkeit, Sachverhalte im Zusammenhang beurteilen zu können. Beispielsweise kann ein eiliger Zusatzauftrag eines Kunden erhebliche Mehrkosten im Rahmen der Produktion verursachen. Ein guter Vertriebs-Controller braucht damit auch Grundkenntnisse im Produktions-Controlling. Vor jeder Spezialisierung steht daher gutes Generalistenwissen.
Generalisten-Know-how ist zudem auch wichtig, um die von anderen Abteilungen erhaltenen Daten richtig einschätzen zu können. Das simple Wort „Umsatz“ ist dafür ein schönes Beispiel. Unter den IFRS/US-GAAP ist das Problem der sogenannten „revenue recognition“ zu nennen. Aber auch im lokalen Handelsrecht (HGB, UGB, OR) genügt schon der Hinweis auf unterschiedliche Umsatz-Definitionen (mit/ohne USt, mit/ohne Erlösminderungen bzw. Sondereinzelkosten des Vertriebs oder Handelsvertreterprovisionen), um klarzumachen, dass viele abgeleitete Kennzahlen – in diesem Beispiel die Umsatzrendite – keineswegs eine triviale Größe darstellen. Kenntnisse über vor- oder nachgelagerte Abteilungen, von denen Zahlen bezogen oder an die Zahlen weitergegeben werden, sind darum eine unabdingbare Bedingung für eine gute Controlling-Tätigkeit.
Entwicklungen im Berufsbild – Harmonisierung des Rechnungswesens
In Großkonzernen kam Ende der 90er Jahre / Anfang der 2000er der Gedanke auf, das Rechnungswesen zu vereinfachen und die Trennung in externes (= handelsrechtliche Informationen) und internes (= steuerungsrelevante Informationen) Rechnungswesen zu verhindern. Heute beschreibt man dies mit „es wächst zusammen, was zusammen gehört“. Allerdings hat sich das Verständnis gewandelt. Ursprünglich ging es darum, die Kosten im Rechnungswesen zu senken und die Anforderungen der (vor allem angelsächsischen) Shareholder umzusetzen, alle internen Steuerungsinformationen ausschließlich aus dem handelsrechtlichen Abschluss zu beziehen – also keine zweite, den Shareholdern nicht nachprüfbare, Informationsquelle zu verwenden.
Diese Sicht gilt heute nicht mehr als angemessen. Sogar die IFRS haben indirekt die prinzipielle Überlegenheit interner Steuerungskennzahlen anerkannt. Als Beispiel können die Regeln zur Segmentberichterstattung, IFRS 8 „Operative Segmente“, dienen. Darin ist festgelegt, dass auch im Geschäftsbericht die vom Unternehmen verwendete Steuerungssicht darzustellen ist, selbst wenn diese nicht nach den Regeln des IFRS 8 erstellt wurde.
Dies spiegelt sich auch in großen Softwarelösungen, wie zum Beispiel SAP S4/Hana wieder. Mit dem sogenannten „universal ledger“ sind zwar beide Welten vereint aber auch weiterhin beide Welten vorhanden. Das gesetzliche Rechnungswesen hat nicht die Controlling-Sicht verdrängt. Eher umgekehrt wird erwartet, dass Controller weitreichende Kenntnisse im Rahmen von Bilanzierungsfragen oder Cashflow mitbringen. Auch wenn sie die Buchungen weiterhin (typischerweise) nicht selbst durchführen, so liefern sie doch häufig benötigte Informationen an die Finanzbuchhaltung. Dies gilt umso mehr, da Abschlüsse nach dem lokalen Handelsrecht für Tochterunternehmen von Großkonzernen weiterhin erforderlich sind und es meist keine mathematische Überleitung der Zahlen in die Logik des Konzernabschlusses nach internationalem Handelsrecht gibt. Die Sachverhalte müssen daher in der Buchhaltung oft auch zweimal verbucht werden. Als typische Beispiele können Pensionsrückstellungen oder die Bilanzierung von Leasingverträgen (IFRS 16) genannt werden.
Kalkulatorische Größen bestehen damit weiterhin neben den bilanziellen Wertansätzen des Gesetzgebers. In manchen Branchen, wie zum Beispiel der Automobilindustrie, wird dies im Rahmen der sogenannten „Open-Book-Kalkulation“ sogar explizit gefordert, weil die tatsächliche Nutzungszeit vieler Maschinen wesentlich länger ist, als die nach lokalem Handelsrecht vorgesehene Abschreibungsdauer. Daraus resultieren Differenzen in der Abschreibungshöhe, die angesichts der hohen Stückzahlen in der Branche einen erheblichen Unterschied in den Herstellungskosten ausmachen. Es gibt aber auch Wirtschaftszweige, für die diese Unterschiede nicht relevant sind, sodass diese Branchen ohne kalkulatorische Größen rechnen.
Entwicklungen im Berufsbild – Digitalisierung
Das Berufsfeld des Controllers verändert sich in jüngster Zeit auch aufgrund höherer Volatilität der Märkte, Internationalisierung und nicht zuletzt durch die Digitalisierung. Während die ersten beiden hauptsächlich das Risiko-Management und entsprechende Sicherungsmaßnahmen (insbesondere im Rahmen des Finanz-Controllings, wie zum Beispiel Hedging) betreffen, stellte Digitalisierung eine komplette Veränderung der künftigen Controller-Tätigkeiten und Controller-Aufgaben in Aussicht. Es ist davon auszugehen, dass die oft als „nächste industrielle Revolution“ bezeichnete Digitalisierung massive Auswirkungen auch auf das im Controlling benötigten Skill-Set haben wird. Kenntnisse in den Bereichen Process Mining, Business Intelligence (BI), Big Data oder Information Design dürften dazu gehören. Einfache Methoden bzw. Instrumente der fortgeschrittenen Datenanalyse kennen MS-Excel-Anwender z. B. in der Form von „PowerPivot“ und „Get and Transform“ (vormals „PowerQuery“). Die Anwendung dieser Lösungen (oder entsprechender eigenständiger Software-Lösungen) sind schon heute auf dem Vormarsch. Vermutlich werden aber auch Kenntnisse in Predictive and Advanced Analytics bis hin zu Machine Learning (z. B. mit „R“ oder „Python“) für analytisch ausgerichtete Kolleginnen und Kollegen zum Repertoire dazu gehören müssen, wenn man die Schnittstelle zum Data Scientist bildet oder Teile des Berufsbildes als sogenannter Citizen Data Scientist selber ausfüllen möchte.
Nach heutiger Einschätzung betrifft die Veränderung aber nicht nur direkte Fähigkeiten im Bereich Statistik oder IT, sondern auch Kompetenzen an „Soft Skills“. Insbesondere das Change-Management ist hier zu nennen, weil die Veränderung von Soft- und Hardware gegen den Widerstand von Mitarbeitern nicht nur die Kosten der Projekte erhöht, sondern vor allen Dingen auch deshalb, weil das heute in den Köpfen der Mitarbeiter vorhandene Know-how in die digitalen Prozesse einfließen soll. Die Grundvoraussetzung dafür ist aber, dass die Mitarbeiter freiwillig den Prozess mitgestalten. Dazu gehört, dass man bei den Mitarbeitern Veränderungsblockaden lösen lernt und gleichzeitig die Stakeholder erfolgreich mitnimmt. Das verlangt nicht nur Moderationsfähigkeit, sondern gelegentlich auch kreatives Querdenken, um ein Projekt agil betreiben zu können. Um Change-Kompetenz zu erwerben, muss man sich mit der eigenen Persönlichkeit und der daraus resultierenden Kommunikation[sfähigkeit] auseinandersetzen. Die Sachebene zu beherrschen und die „richtigen“ Argumente zu haben ist nur selten der Weg, eine andere Person zu überzeugen und zu motivieren.
Würdigung und Zusammenfassung
Die Veränderungen im Berufsbild werden erhebliche Auswirkungen auf die künftige Arbeitsweise haben. Der Trend geht eindeutig zu höherer Automatisierung und Spezialisierung. Damit dies zu sinnvollen Unternehmenslösungen führt, ist eine Ausbildung zum Generalisten unerlässlich. Außerdem wird es nicht möglich sein, sowohl in Finanz /Rechnungswesen als auch Change-Management und Digitalisierung gleichermaßen „zu Hause zu sein“. Es wird zu einer weiteren Ausdifferenzierung des Berufsbildes kommen.
Quelle
Controller Praxis, 18. Auflage, Verlag für ControllingWissen AG, Offenburg
Ersteinstellende Autoren
Albrecht Deyhle, Controller Akademie
Guido Kleinhietpaß, Controller Akademie