HGB – Zielsystem und Adressaten
Aus ControllingWiki
Achtung. Sie nutzen eine nicht mehr unterstützte Version des Internet Explorer. Es kann zu Darstellungsfehlern kommen. Bitte ziehen Sie einen Wechsel zu einer neueren Version des Internet Explorer in Erwägung oder wechseln Sie zu einer freien Alternative wie Firefox.Prüfsiegel gültig bis 2020
Kern der Rechnungslegung bildet der Jahres- respektive Einzelabschluss, der aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) und bei Kapitalgesellschaften aus dem Anhang besteht. Der Begriff der Bilanz wird in der Praxis häufig mit jenem des Jahresabschlusses gleichgesetzt, obwohl die Bilanz lediglich einen Teilbereich des Jahresabschlusses kennzeichnet und auch für Funktionen außerhalb der Jahresabschlusserstellung Anwendung findet. Abgesehen von der grundlegenden Unterteilung in handels- und gesellschaftsrechtliche Bilanzen sowie Bilanzen nach Steuerrecht erfolgt eine Unterscheidung in laufende (ordentlichen) Bilanzen und gelegentliche Bilanzen.
Die Einzelabschlusserstellung folgt dabei einer Multizielsetzung, die jedoch im Handelsrecht nicht eindeutig kodifiziert ist. Eine Erschließung des Zielsystems ergibt sich nur mittels Ableitung der einzelnen Ziele aus handelsrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen, steuerrechtlichen und strafrechtlichen Normen. Eine Ableitung der handelsrechtlichen Generalnormen (Buchführungspflicht nach § 238 Abs. 1 S. 1 und 2 HGB; Pflicht zur Aufstellung nach § 242 Abs. 1 S. HGB und Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses der Kapitalgesellschaft nach § 264 Abs. 2 S. 1 HGB) resultiert in Bezug auf die Ziele der Rechnungslegung in folgender Dreiteilung:
- Dokumentationsfunktion
- Gewinnermittlungsfunktion (nur Ausschüttungsbemessungsfunktion)
- Informationsfunktion
Die §§ 283 und 283b StGB untermauern die Möglichkeit der Ableitung einer Dokumentationsfunktion des Jahresabschlusses als Rechnungslegungsziel aus den Generalnormen. Für die Gewinnermittlungsfunktion gilt dies in Bezug auf die rechtsformspezifischen Ausschüttungsregelungen der §§ 58 und 150 AktG und der §§ 29 und 30 GmbHG, die einerseits eine angemessene Ausschüttung im Kontext des Gesellschafterschutzes garantieren sollen und andererseits eine Deckelung der Ausschüttung im Interesse der Gläubiger darstellen, analog. Dem Grundsatz der Maßgeblichkeit gem. § 5 Abs. 1 EStG, der die Gewinnfeststellung im Rahmen der Besteuerung im Regelfall auf die Gewinnfeststellung im handelsrechtlichen (Einzel-)Abschluss basiert, ist die Erweiterung der Zielsetzung der Rechnungslegung geschuldet:
- Dokumentationsfunktion
- Gewinnermittlungsfunktion (Ausschüttungs- und Steuerbemessungsfunktion)
- Informationsfunktion
Die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im Einzelabschlusses gem. § 264 Abs. 2 S. 1 HGB und unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) taugt nicht zur Abbildung eines Verbundes mehrerer Einzelunternehmen. Der zwecks der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der wirtschaftlichen Einheit Konzern, die einen Zusammenschluss rechtlich selbständiger Gesellschaften ohne Verschmelzung dieser zu einer rechtlichen Einheit darstellt, gemäß § 290 bzw. § 290 i. V. m. § 264a Abs. 1 HGB etwaig aufzustellende Konzernabschluss berührt die Pflicht zur Aufstellung eines Einzelabschlusses – vorbehaltlich der §§ 264 Abs. 3, 4 und 264b HGB – nicht. Die im Rahmen der Einzelabschlusserstellung verfolgte Multizielsetzung reduziert sich bei der Erstellung eines Konzernabschlusses entsprechend auf die Informationsfunktion. Im Konnex der Informationsfunktion sind sowohl der Einzel- als auch der Konzernabschluss als informatorischer Kompromiss zu betrachten. Die Informationsinteressen der verschiedenen Adressatengruppen divergieren mitunter erheblich. Eine vollständige Erfüllung der Informationswünsche einzelner Gruppen ist ausgeschlossen – eine Befriedigung der Rechenschaftsansprüche kann nur innerhalb der Grenzen essentieller Schutzbelange Anderer erfolgen. Die Informationsbereitstellung der Unternehmen ist einerseits an den Eigeninteressen und andererseits an jenen externer Dritter auszurichten. Die Selbstinformation dient dabei der Kontrolle getroffener Entscheidungen, während die Wahrnehmung der Rechenschaftsansprüche Dritter insbesondere der Sicherung zur Verfügung gestellten Kapitals – aber etwa auch der Interessen der Arbeitnehmer – dienen soll. Einen Überblick über die verschiedenen Adressatengruppen liefert folgende Liste:
- Anteilseigner/Eigentümer
- Gläubiger
- Lieferanten
- Arbeitnehmer
- Staatliche Stellen
- Kunden
- Öffentlichkeit
- Management (Selbstinformation)
Quellen
Ammann/Müller, Konzernbilanzierung – Grundlagen sowie Steuerungs- und Analysemöglichkeiten, Berlin, 2005.
Bähr/Fischer-Winkelmann, Buchführung und Jahresabschluss, 8. Auflage, Wiesbaden, 2003.
Coenenberg, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 20.Auflage, Stuttgart, 2005.
Coenenberg/Haller/Mattner/Schultze, Einführung in das Rechnungswesen, 2. Auflage, Stuttgart, 2007.
Lachnit, Bilanzanalyse, Wiesbaden, 2004.
Ersteinstellender Autor
Dr. Markus Philipp Kreipl