Energiebilanzen
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Zusammenfassung
Energiebilanzen in Unternehmen lassen sich in Betriebs-, Prozess-, Produktbilanzen sowie Lebenszyklusanalysen im Rahmen von Wertnetzen unterscheiden, deren Bezug zur Kostenrechnung herausgearbeitet wird. Darauf erfolgt eine Einordnung in die Nachhaltigkeitsbilanzierung. Betriebswirte müssen sich in einige naturwissenschaftlich-technische Grundlagen einarbeiten, um Energiebilanzen verstehen und nutzen zu können. Durch Industrie 4.0, Smart Metering und weitere Entwicklungen sinken die Kosten für die Erstellung und Auswertung von Energiebilanzen, während der Nutzen für energetische Optimierungen wie das Lastmanagement wachsen.
Begriff
Energiebilanzen zeigen den energetischen Input und Output eines Systems. Sie bilden den Kern der Informationsversorge des Energiecontrolling, indem die naturwissenschaftlich technischen Flussgrößen mit Kosten und Erlösen bewertet werden. Dabei differenzieren sie nach Energieformen (Elektrizität, Öl, Gas usw., siehe Abb. 1).
Abb. 1: Grundlegendes Schema von Energiebilanzen
Maßeinheiten sind zunächst Mengen (Öl in Litern, Gas in Kubikmetern usw.), die dann in spezifische Energieeinheiten umzurechnen sind, um sie vergleichbar zu machen. In Unternehmen ist die Einheit Kilowattstunden (kWh) dominierend, weitere Maßeinheiten wie Joule, Öläquivalent, Kalorien usw. treten dagegen zurück. Von besonderer Bedeutung für das Verständnis von Energiebilanzen sind die anschließend erörterten Systemgrenzen. Streng physikalisch ist gemäß dem Energieerhaltungssatze der Input gleich dem Output, doch für betriebswirtschaftliche Zwecke konzentrierten sich Energiebilanzen oft nur auf den Input.
Die englische Übersetzung ist schwierig, „energy balance“ ist sprachlich korrekt, jedoch bevorzugt die DIN EN ISO 50001 über „Energy Management Systems“ den Begriff „energy reviews“. Auch „energy audits“ wird gelegentlich im Sinne von Energiebilanzen verwendet.
Systemgrenzen und Bezug zur Kostenrechnung
Welche Systeme können in Unternehmen Gegenstand von Energiebilanzen sein (vgl. Kals, 2014, S. 109-117)?
• Betriebsbilanzen: Die Kostenartenrechnung (Buchhaltung) ermittelt den Energieverbrauch eines Betriebs oder Standorts als Ganzes (Gate-to-Gate).
• Prozessbilanzen: Im Fokus stehen einzelne operative Prozesse in Funktionen wie Produktion (z.B. Galvanisieren eines Werkstückes), Logistik (Auslieferung des fertigen Produkts) oder Facility Management (Klimatisierung der Werkhalle). Die Kostenstellenrechnung zeigt auf dieser Basis den Durchfluss von Energie im Unternehmen. Energieflussbilder (Sankey-Diagramme) dienen der graphischen Darstellung.
• Produktbilanzen: Der Energieverbrauch für einen Kostenträger (ein Produkt) wird ermittelt. Die Kostenträgerstückrechnung (Kalkulation) kann zu diesem Zweck nach Divisions- oder Äquivalenzziffernkalkulation die Betriebsbilanz auf die Produktionsmenge verteilen. Viel aussagekräftiger ist es aber, im Stil einer Maschinenstundensatzrechnung den Durchlauf von Rohstoffen durch die Produktion zu verfolgen und das fertige Produkt exakt aufgrund der Prozessbilanzen der einzelnen Schritte zu kalkulieren.
• Lebenszyklusbilanzen, energiebezogene Ökobilanzen, Life-Cycle Assessment (LCA): Gegenstand der Energiebilanz ist hier der gesamte Lebenszyklus eines Produkts beginnend mit der Urproduktion der Rohstoffe und endend mit Entsorgung (Cradle-to-Grave) oder Recycling (Cradle-to-Cradle). Das Modell der Supply Chains muss durch das Denken in Wert(schöpfungs)netz(werken) überwunden werden.
Einbettung
Energiebilanzen sind Teil der Gesamtbilanzierung des Unternehmens, wie es Abb. 2 zeigt. Die jeweils untergeordneten Bilanztypen bilden einen Teil der übergeordneten Bilanzierungsebene oder lassen sich daraus berechnen.
Abb. 2: Hierarchische Einbettung von Energiebilanzen
In Analogie zum zertifizierten Qualitätsmanagement gemäß der DIN EN ISO 9000er Reihe enthält die ISO 14000er Reihe Vorgaben für das Umweltmanagement einschließlich Umweltbilanzen. Nach diesem Muster ist auch die ISO 50000er Reihe für Energiemanagementsysteme gestaltet, die Energiebilanzen fordert (vgl. Reimann 2013). In der ISO 14060er Reihe werden Anforderungen an Treibhausgasbilanzen entwickelt.
Naturwissenschaftlich-technische Grundlagen für Controller
Energiebilanzen fordern Nicht-Ingenieure auf, sich mit den naturwissenschaftlich-technischen Grundlagen auseinanderzusetzen. Dazu gehört insbesondere folgende Begriffe und Zusammenhänge (ausführlich und mit weiteren Beispielen in Kals, 2010, S. 19-71):
• Der Energieverbrauch eines Geräts hängt davon ab, wie lange die Anlage ihre Leistung erbringt. Eine Werkzeugmaschine, die mit 30 Kilowatt (kW) Leistung acht Stunden (h) am Tag betrieben wird, benötigt 30 kW mal 8 h Energie, mithin 240 Kilowattstunden (kWh).
• Die Konversion oder Umrechnung von Mengeneinheiten eines Energieträgers in Kilowattstunden erfolgt über Brennwertfaktoren: Bei einem Brennwertfaktor von 11 kWh pro Kubikmeter Erdgas beträgt der Energieinhalt von 100 Kubikmetern Gas 110 kWh. Energieträger sind Naturprodukte und der Brennwert schwankt, als Informationsquelle ist die Rechnung des Versorgers erste Wahl.
• Energieverbrauch führt zur Emission des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2). Durch die Bewertung mit CO2-Emissionskoeffizienten lässt sich aus Energiebilanzen die CO2-Bilanz als Bestandteil einer Treibhausgasbilanz erstellen. Eine Kilowattstunde Strom aus einem Braunkohlekraftwerk verursacht 1.200 Gramm CO2, Windkraftanlagen verringern die Emission auf 20 bis 30 Gramm.
Kostensenkung bei der Erstellung von Energiebilanzen
Der Controller wägt die Kosten für Informationserfassung und –verarbeitung gegenüber dem wirtschaftlichen Nutzen ab, den eine Verbesserung der Planung mit sich bringt. Die Kosten zur Erstellung detaillierter Energiebilanzen sinken rapide aufgrund der Entwicklungen und Instrumente, die in der Abb. 3 aufgeführt sind.
Abb. 3: Ursachen für Kostensenkungen bei Erstellung und Auswertung von Energiebilanzen
Chancen durch Lastmanagement
Auf der anderen Seite wächst der Nutzen aus detaillierten Energiebilanzen nicht nur durch Kostensteigerungen von Energieträgern und CO2-Zertifikaten:
Die Energiewende führt zu volatilen Preisen an den Börsen, die sogar ins Negative drehen können. Ohne Berücksichtigung von Steuern und Gebühren würden Unternehmen potenziell sogar dafür bezahlt, zu bestimmten Zeiten Energie zu verbrauchen. Ein entsprechendes Lastmanagement (Demand Side Management) erfordert detaillierte, aktuelle Energiebilanzen insbesondere auf der Ebene der Detailprozesse (vgl. Simon 2015). Das kann insbesondere mit Smart Metering im 15-Minuten-Rhythmus oder sogar online realisiert werden. Konkret heißt das, automatisierte Produktionsprozesse in die Nacht (oder in windreiche Zeiten) zu verschieben, Kühlhäuser gezielt herunter zu kühlen oder zukünftig die Akkumulatoren von E-Autos als dezentrale Speicher zu verwenden.
Auch durch Anlagen gemäß des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) werden Unternehmen außerhalb der Energiebranche zunehmend zu Produzenten und Konsumenten gleichzeitig (ProSumer). Damit gewinnen die Outputseite von Energiebilanzen sowie die daraus erstehenden Erlöse an Bedeutung.
Literatur
Kals, J., Betriebliches Energiemanagement – Eine Einführung, Stuttgart 2010.
Kals, J., Energiebilanzen in Unternehmen und Wertnetzen, in: Gleich, R. (Hrsg.), Energiecontrolling, München 2014, S. 105-124.
Reimann, G., Erfolgreiches Energiemanagement nach DIN EN ISO 50001, 2013
Simon, Ralf, Virtuelles Kraftwerk made in Rheinland-Pfalz [1] (Abruf 9.1.15)
Weiß, M., Datenauswertung von Energiemanagementsystemen, 2011
Ersteinstellender Autor
Prof. Dr. Johannes Kals, Hochschule Ludwigshafen am Rhein, Ernst-Boehe-Str 4, D-67059 Ludwigshafen, [2], 0621/5203-152