Lebenszykluskosten
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Zusammenfassung
Die Lebenszykluskosten beschreiben die Kosten eines Produktes oder einer Dienstleistung über dessen gesamte Lebensdauer. Es handelt sich um eine Erfassung aller Kosten in allen Lebenszyklusabschnitten, also Planung, Entwicklung, Beschaffung, Fertigung, Vertrieb, Feldeinsatz mit Instandhaltung und Betriebskosten sowie Beseitigung. Die Lebenszykluskostenrechnung wird insofern als Verfahren zur Planung, Beurteilung und zum Vergleich von Investitionsalternativen sowie zur Wirtschaftlichkeitsanalyse von Systemen und Produkten verwendet.
Lebenszyklus, strategisches Controlling, Erfahrungskurve
In Anlehnung an biologische Entwicklungen basiert die Lebenszyklusbetrachtung und darauf aufbauende -rechnung auf einer dynamischen Längsschnittbetrachtung. Es wird beim Lebenszyklusansatz nicht lediglich ein einzelner Zeitabschnitt oder eine Periode eines Untersuchungsobjektes betrachtet, sondern die gesamte Lebensdauer. Innerhalb des Lebenszyklus wird ein Objekt entwickelt, geplant, erworben, erstellt, bearbeitet, genutzt, stillgelegt, entsorgt bzw. veräußert. Die Literatur verzeichnet unterschiedliche Ansätze der Phasen- und Verlaufsschemata, die versuchen die Abläufe innerhalb eines Lebenszyklus transparenter und einer Gestaltung zugänglich zu machen. Die klassische Vier-Phasen-Darstellung berücksichtigt lediglich den Marktzyklus, d. h. die Phasen von der Markteinführung über eine Wachstums-, Reife- und Sättigungsphase bis zum Ausscheiden aus dem Markt. Neuere Lebenszyklusmodelle beziehen die kostenintensiven vorlaufenden Beobachtungs-, Entstehungs- und den nachlaufenden Nachsorgezyklus in die Betrachtung mit ein. Dies wird als integrierter Lebenszyklus bezeichnet. Theoretisch basiert das Lebenszykluskonzept auf Überlegungen der Adoptions- und Diffusionsforschung, die von einer bestimmten Ausbreitung neuer Produkte ausgeht. Sie unterscheidet verschiedene Nachfragersegmente, die in einzelnen Marktphasen ein Produkt bevorzugt übernehmen, woraus sich eine Sättigungs- oder Diffusionskurve ergibt, die Grundlage für den Lebenszyklus ist. Angenommen wird ein normalverteilter, glockenförmiger Verlauf der Kurve von Umsatz bzw. Absatzmenge auf der Ordinate und Zeit (linear in Form aufeinander folgender Phasen) auf der Abszisse.
Es ist durchaus möglich, dass sich ein Produkt am Anfang seines Lebenszyklus befindet, während die zugehörige Produktlinie bereits in einem weit fortgeschrittenen Stadium ist. Die Produktlinie kann wiederum einer anderen Phase zugeordnet werden als die Branche. Es sind somit verschiedene Betrachtungsobjekte unterscheidbar. Im Folgenden wird ein konkretes Produkt von der Idee über die Produktion bis hin zur Entsorgung betrachtet (integrierter Produktlebenszyklus, vgl. die Abb.). Davon weitgehend unabhängig bildet die technologische Entwicklung ebenfalls einem bestimmten Lebenszyklusverlauf (Technologielebenszyklus). Eine weitere Abgrenzung kann zu Projekten erfolgen, in deren Verlauf Ressourcen in Form von Personal, Finanz- und Sachmittel variieren (Projektlebenszyklus). Betrachtet man dies für einzelne Teilnehmer am Wirtschaftsgeschehen können weitere Typen differenziert werden (Zulieferer-Lebenszyklus, Personallebenszyklus etc.).
Abb. 2: Der integrierte Produktlebenszyklus (Riezler (1996), S. 9)
Beim integrierten Produktlebenszyklus wird von einem bestimmten Kostenverlauf über den Lebenszyklus hinweg ausgegangen. Bei einigen Modellvarianten wird an Stelle einer Kostenbetrachtung die Zahlungsmittelebene (Ein- und Auszahlungen) betrachtet, während andere Darstellungen den Gewinn, Deckungsbeitrag oder auch Cash-flow miteinbeziehen. Die Darstellung des integrierten Lebenszyklus in der Abb. gibt die Zahlungsvorgänge über den gesamten, integrierten Produktlebenszyklus wieder. Die auf der Abszisse abgetragene Zeit wird mit Hilfe von Aktivitäten, welche im direkten Zusammenhang mit einer Serien- oder Massenfertigung stehen in verschiedene Abschnitte zerlegt. Die der sachlichen Strukturierung dienende Untergliederung ist zwar sachlich, nicht aber zeitlich als sequentiell zu betrachten. Teilphasen können sich durchaus zeitlich überlappen.
Die kostenmäßige Abbildung dieser vielfältigen und -phasigen Prozesse in einem Produktlebenszyklus ist Ziel eines Teilbereichs des Kostenmanagement. Die Formulierung, dass die Lebenszyklusrechnung eine „Kostenrechnung von der Wiege bis zum Grab“ ist, unterstreicht, dass hierbei alle Kosten, die mit einem Produkt zusammenhängen, vollständig erfasst werden. Die Aufgabe der Lebenszykluskostenrechnung (auch Life-Cycle-Costing) besteht entsprechend in der Erfassung aller Kosten in allen Lebenszyklusabschnitten, also Planung, Entwicklung, Beschaffung, Fertigung, Vertrieb, Feldeinsatz mit Instandhaltung und Betriebskosten sowie Beseitigung. Die Lebenszykluskostenrechnung wird insofern als Verfahren zur Planung, Beurteilung und zum Vergleich von Investitionsalternativen sowie zur Wirtschaftlichkeitsanalyse von Systemen und Produkten verwendet. Eine Optimierung der Gesamtkosten eines Produktes über den gesamten Lebenszyklus steht hierbei im Mittelpunkt. Nicht nur die Kosten, sondern auch Leistung und Zeit sind relevante Variablen, die über den Lebenszyklus aktiv geformt werden können. Das Life-Cycle-Costing besteht aus einer Vielzahl von Methoden, die vielfach aus der Investitionsrechnung stammen, wie Verfahren der Kostenprognose, Methoden zur Berücksichtigung des Risikos, der Inflation und der Zeit.
Die Lebenszyklusrechnung unterscheidet sich von der „klassischen“ Kostenrechnung hinsichtlich der Betrachtungsperspektive: Die klassische Kostenrechnung betrachtet die einzelne Periode über alle Produkte hinweg, während die Lebenszyklusrechnung ein Produkt über alle Perioden hinweg betrachtet.
Abb. 3: Perspektiven der Lebenszykluskostenrechnung (Vgl. Joos-Sachse (2001), S. 227)
Ein wesentliches Ziel des Life Cycle Costing ist die Beeinflussung der Folge- und der wiederkehrenden Kosten, vor allem durch die Aufdeckung und Bewertung von trade-offs zwischen Anfangs- und Folgekosten. So können höhere Anfangskosten geringere Folgekosten rechtfertigen (z.B. steigen für die Verwendung von umweltfreundlichen Materialien die Herstellkosten, jedoch können die Entsorgungskosten am Ende um ein Vielfaches sinken). Insofern besteht eine besondere Notwendigkeit, alle im Zusammenhang mit dem Anlauf stehenden Kosten detailliert zu erfassen.
Der Produktlebenszyklus i.e.S. kann nur für die Vergangenheit festgestellt werden. Für die Zukunft kann der Absatzverlauf – unter den Prämissen, die auch für die Beurteilung des Basisgeschäfts gelten – für ein Produkt nur abgeschätzt werden. Unter Ausschluss von Saison- und Zufallsschwankungen lässt sich bei Verbrauchsgütern meist eine unsymmetrische, eingipflige Kurve bei der Beobachtung der Absatzmenge erkennen. Mehrgipflige Kurven können aufgrund von Ersatzbeschaffungen bei Gebrauchsgütern unter der Bedingung auftreten, dass das Produkt ausreichend lange am Markt angeboten wird, um die Ersatznachfrage wirksam werden zu lassen.
Der Lebenszyklus ist ein aktiv gestaltbarer Prozess. Der Umsatzverlauf folgt nicht einem vorgegebenen Entwicklungsmuster, wie es noch das klassische Lebenszyk-lusmodell mit einer „Self-fulfilling prophecy“ sah. Der Phasenverlauf kann somit vom Unternehmen durch den Einsatz verschiedener Instrumente selbst beeinflusst werden und unterliegt der ständigen Veränderung. Dies ist wesentlich darin begründet, dass Entscheidungen innerhalb einer Phase auch die folgenden Phasen beeinflussen können und ermöglicht damit eine zielorientierte Planung und Steuerung der Aktivitäten und Kosten. Von besonderer Relevanz sind dabei Entscheidungen in der Entwicklungsphase, da durch sie Umsatz- und Kostenverläufe wesentlich determiniert werden. Das Lebenszykluskonzept beinhaltet damit eine Abbildungs- und Erklärungsfunktion und verfolgt darauf aufbauend handlungsorientierte Prognose- und Gestaltungsziele:
Prognose von zukünftigen Absatz-, Umsatz-, Kostenverläufen;
Analyse der Einflussfaktoren auf den Verlauf, Erfolg, etc. zu deren gezielten Be-einflussung/Entscheidungsunterstützung (so können z.B. Investitionen in der Vorlauf-phase zur Qualitätssteigerung später anfallende Kosten für Reparaturen in der Marktphase senken; damit kann in einer Gesamtbetrachtung die Wirtschaftlichkeit des Produktes gesteigert werden);
Unterstützung der Entscheidungen über Produktprogramm und Faktorausstattung (Unternehmens-, Produkt-, Absatz-, Preis-, Fertigungsstrategie; Frühwarnsystem)
Beurteilung der Produktprofitabilität/ Wirtschaftlichkeitsrechnung; Altersstruktur des Produktprogramms; Frühwarnsystem durch Hinweise auf Verläufe;
Bewertung von alternativen Produktkonzeptionen, Kunden, Projekten etc. à Aufzei-gen von Trade-offs zwischen den Kosten verschiedener Alternativen in den verschie-denen Phasen;
Nachverfolgung / Überprüfung der Zieleinhaltung
Literatur
• Back-Hock, A.: Lebenszyklusorientiertes Produktcontrolling, Berlin 1988
• Götze, U.: Lebenszykluskosten, in: Fischer, Th. M. (Hrsg.), Kostencontrolling - Neue Methoden und Inhalte, Stuttgart 2000, S. 265-289;
• Pfohl, M., Prototypgestützte Lebenszyklusrechnung, München 2002;
• Riezler, S.: Lebenszyklusrechnung: Instrument des Controlling strategischer Projekte, Wiesbaden 1996;
• Zehbold, C.: Lebenszykluskostenrechnung, Wiesbaden, 1996
Autor
Prof. Dr. Klaus Möller, Universität St. Gallen, [1]