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Prozessmodell

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Zusammenfassung

Prozessmodelle bilden Geschäftsprozesse und deren Aufbau in Unternehmen ab und strukturieren deren Abfolge. Ziel von Prozessmodellen ist die Dokumentation, Analyse, Gestaltung und Kommunikation von Prozessen welche im betriebswirtschaftlichen Kontext häufig als Geschäftsprozesse bezeichnet werden. Prozessmodelle können in Ist-, Soll- und Referenzprozessmodelle als Untergruppe der Soll-Modelle unterschieden werden und liefern die Grundlage für eine Vielzahl an Einsatzzwecken wie beispielsweise dem Prozessbenchmarking, der Einführung von ERP Systemen und der Prozesskostenrechnung.

Begriffliche Grundlagen und Aufbau von Prozessmodellen

Die Verringerung der Komplexität von Systemen stellt die zentrale Aufgabe von Modelle dar. Im Sinne der Modelltheorie welche auf Stachowiak zurück beinhaltet eine Modell drei zentrale Merkmale. Demnach hat ein Modell die Aufgabe ein komplexes System repräsentativ abzubilden, die einfließenden Informationen zu selektieren und den Grundgedanken des Pragmatismus zu beinhalten. Der Allgemeine Modellbegriff legt den Grundstein für das Verständniss von Prozessmodellen.

Ein Geschäftsprozess ist eine strukturierte Abfolge von betrieblichen Aktivitäten, um von Kunden erwartete Leistungen zu erzeugen. Nach dieser Definition hat ein Geschäftsprozess einen definierten Start und ein definiertes Ende. Ein Geschäftsprozess verfolgt ein oder mehrere Ziele und es existieren messbare Inputs und messbare Outputs, die sowohl materieller als auch immaterieller Art sein können. Die Erzeugung der Outputs erfolgt durch den Einsatz von Ressourcen (z.B. Arbeitszeit etc.).

Der Aufbau von Geschäftsprozessen lässt sich in eine horizontale und eine vertikale Struktur einteilen. Die horizontale Dimension definiert einzelne Prozesse aus der Kette von Prozessen und identifiziert die Schnittstellen zwischen den jeweiligen Prozessen. Eine Prozessarchitektur entsteht durch die vertikale Gliederung der Geschäftsprozesse in über- und untergelagerte Prozesse. Die Geschäftsprozesse bestehen aus mehreren Haupt- und darunter liegenden Teilprozessen. Ein Hauptprozess ist in der Regel funktionsübergreifend und setzt sich aus mehreren Teilprozessen zusammen. Die Teilprozesse wiederum lassen sich in eine Kette homogener Aktivitäten zerlegen.

Die Aufgabe und Struktur von Geschäftsprozessen lehnt sich an die zuvor dargestellten allgemeinen Modelle an und spezifiziert diese für den Kontext der Unternehmen. Die Prozessmodelle bilden somit die Ablauforganisation der Unternehmen ab und stehen im Gegensatz zur Aufbauorganisation. Da es sich bei Prozessmodellen um eine spezielle Form von Modellen handelt dienen sie der Dokumentation, Analyse und Gestaltung sowie zur Unterstützung der Kommunikation über Geschäftsprozesse. Die Eigenschaften von Prozessmodellen werden nachfolgend vorgestellt.

- Abbildungsmerkmal: die Prozessstruktur einer Organisation wird in der Regel grafisch und in Form von Symbolen dargestellt

- Verkürzungsmerkmal: je nach Verwendungszweck beinhaltet eine Modell nur notwendige Elemente, um die Komplexität zu reduzieren, was dem erwähnten Zweck von Modellen entspricht

- Pragmatisches Merkmal: Modelle dienen jeweils einem bestimmten Zweck, der ihre Form determiniert und diese zeitlich begrenzt. Aufgrund der schnellen Veränderungen sind Prozessmodelle in Unternehmen schnell überholt.

Die genannten Merkmale bestimmen die genaue Ausgestaltung von Prozessmodellen, welche stets vor dem Hintergrund des Einsatzzweckes geprüft werden müssen. Es gibt daher keine allgemein gültige bzw. ideale Ausgestaltung von Prozessmodellen.

Nutzen von Prozessmodellen

Abbildung 1 zeigt einen Überblick über die verschiedenen Verwendungszwecke von Prozessmodellen.


Verwendungszwecke von Prozessmodellen.JPG

Abbildung 1: Verwendungszwecke von Prozessmodellen


Die Auswahl einer geeigneten Software für das Unternehmen stellt einen primären Verwendungszweck von Prozessmodellen dar. Anbietern von sogenannten ERP Systemen (Enterprise Ressource Planning)bieten Lösungen zur Unterstützung von Kern- und Supportprozesse einer Unternehmung an. Anbieter von ERP Software sind beispielsweise ORACLE oder SAP. Eine Anpassung an das Unternehmen erfolgt häufig in Form von Referenzprozessmodellen. Dies erlaubt die Auswahl einer passenden Software unter Abgleich der unternehmenseigenen Prozessmodelle mit den softwarespezifischen Referenzprozessmodellen. je höher die Übereinstimmung der Prozessmodelle (Referenzprozessmodell und unternehmensspezifisches Prozessmodell) desto besser ist die jeweilige Software für das Unternehmen geeignet.

Die operative Implementierung von strategischen Zielen der Unternehmen erfolgt im Rahmen des Workflowmanagements unter Einsatz von IT-gestützter Methoden zur Analyse, Planung, Simulation, Steuerung und Überwachung der Prozessabläufe im Unternehmen. Diese Workflowmodelle basieren auf Prozessmodellen und dienen der Simulation von Verbesserungsmaßnahmen auf die Unternehmung ohne die reale Systemlandschaft ändern zu müssen. Dies birgt enomre Einsparpotentiale aufgrund der geringeren Komplexität und entspricht dem Ziel der Vereinfachung von Modellen. Anhand von Simulationen werden vorrangig Schwachstellen in Abhängigkeit auf unterschiedlche Szenarien getestet werden. Beispielsweise kan die Veränderung der Durchlaufzeiten in Abhängigkeit einer Maßnahme wie der Einführung einer neuen Software untersucht werden.

Die Organisationsgestaltung beinhaltet die Organisationsdokumentation, prozessorientierte Organisationsverbesserung, Zertifizierung des Qualitätsmanagement, Wissensmanagement, Prozesskostenrechnung und Prozessbenchmarking. Die Organisationsdokumentation dient zentral der Erhöhung von Transparenz in den Unternehmen,was Grundlage für eine Steigerung der Effizienz bei der Kommunikation und bei den Mitarbeiterschulungen bzw. -einarbeitungen.

Die Identifizierung von Schwachstellen wird durch die prozessorientierten Organisationsverbesserung unterstützt. Der Abgleich von Ist-, Soll- sowie von Referenzmodellen, dient einer nachhaltigen Steuerung von Prozessen. Eine Zertifizierung nach ISO-Norm DIN ISO 9000ff bestätigt eine stringente Dokumentation der Prozesse anhand von Prozessmodellen und einer durchgehenden Modellierungssprache.

Das Wissensmanagement sorgt für Transparenz über die Unternehmensressource Wissen und dient der Identifizieren, Gewinnung, Nutzung, Weiterentwickelung und Verteilung von Wissen. Dies stellt in den immmer komplexer werdenenden Unternehmen eine zentralen Erfolgsfaktor dar. Bei der Prozesskostenrechnung dienen Prozessmodelle als Grundlage für die Allokation der Kosten insbesondere in Gemeinkostenbereichen. Hiebei werden die komplexe Prozessabläufe in möglichst einfach strukturierte Prozesse überführt, welche sich in Geschäfts-, Haupt- und Teilprozesse untergleidern. Die Allokation der Prozesskosten erfolgt über Kostentreiber. Auf diese Weise kann eine Verursachungsgerechte Verteilung der Kosten erfolgen. Im Rahmend er Zuschlagskalkulation werden die Kosten hingegen nach dem Tragfähigkeitsprinzip allokiert, was zu falschen Ergebnissen in der Produktpolitik führen kann. Auch im Falle des Prozessbenchmarking dienen Prozessmodelle der Schaffung von Transparenz bilden damit die Grundlage für die lesitungssteigerung der Prozesse. Das Prozessmodell dient der einhaitlichen Grundlage für die Erhebung der Kennzahlen bei den Benchmark Partnern. Ohne eine einheitliche Grundlage wäre die Vergleichbarkeit der Werte nicht gegeben und eine fundierte Datenerhebung über mehrere organisationellen Einheiten nicht möglich.

Arten von Prozessmodellen und Methoden der Prozessmodellierung

Hinsichtlich der Art könenn Prozessmodelle grundsätzlich in Ist- und Soll-Modelle gegliedert werden. Ist-Modell bilden den Status Quo der Prozesslandschaft in einem spezifischen Unternehmen ab. Basierend auf dieser Ist-Situation kann ein Handlungsbedarf im Sinne eine Reorganisation identifiziert werden. Darüber hinaus werden Schwachstellen und Schnittstellen visualisiert. Im Sinne einer Prozesskostenrechnung kann eine monetäre Betrachtung der Prozesse und ihrer Schwachstellen erfolgen. Das Soll-Modell hingegen stellt den gewünschten zukünftigen Zustand der Prozesse dar. Die Differnenzen zwischen Ist-Modellen und Soll-Modellen identifizieren den Handlungsbedarf zur Ereichung des gewünschten Zustands. Sie dienen bei der Ableitung von konkreten Handlungsmaßnahmen.

Das Referenzmodell stellt eine spezielle Form des Soll-Modells dar und bildet eine „Best Practice“ ab. Referenzprozessmodelle sind oft branchenbezogen und besitzen eine Empfehlungscharakter für die Umsetzung der unternehmensspezifischen Prozessmodelle. Dementsprechend dienen Referenzmodellen wie die zuvor beschriebenen Soll-Modelle dem Abglich mit der aktuellen Situation, welche in Form der Ist-Modelle abgebildet ist. Die Referenzmodelle dienen daher in erster Linie als eine State-of-the-Art Prozessmodell zur Ableitung von unternehmensindividuellen Prozessmodellen. Desweiteren dienen sie als transparente Basis für ein Prozessbenchmarking, da sie oft auch Kennzahlen enthalten. Die zahl der Referenzprozessmodelle in der Praxis steigt in den letzten Jahren stark. Hierbei handelt es sich überwiegend um branchenspezifische wie dem Technology Infrastructure Library (ITIL) oder dem Branchenprozessmodell .Funktionsspezifische Modelle, wie z.B. das von der Supply Chain Council (SCC) im Jahre 1996 entwickelte Supply Chain Operation Reference-Modell (SCOR) dienen dem Informationsaustausch zwischen Unternehmen in einer Supply Chain. Das SCOR Modell wir dim Folgenden kurz beschrieben. Es handelt sich um ein weit verbreites und anerkanntes Referenzprozessmodell.

Das SCOR-Modell wurde mit dem Ziel der Beschreibung aller unternehmensinternen und unternehmensübergreifenden Prozesse entwickelt um einen transparente Basis für die Zusammenarbeit von Unternehmen in der Supply Chain zu ermöglichen. Das SCOR-Modell basiert auf den fünf wesentlichen Supply-Chain-Management-Prozessen (Planung, Beschaffung, Herstellung, Lieferung und Rückgabe) und verknüpft sie mit Ansätzen des Business Process Reengineering (BPR), Prozessbenchmarking und Best-Practices. Abbildung 2 zeigt den Grundaufbau und die vier Ebenen des SCOR-Modells.


Die Hierarchieebenen des SCOR Modells.JPG

Abb.2: Die Hierarchieebenen des SCOR Modells


Das SCOR-Modell unterstützt die Interaktion zwischen Unternehmen einer Supply Chain auf Basis standardisierter Prozesse. Eine detaillierte Spezifikation der Prozesse erfolgt lediglich auf den drei oberen Ebenen (Top-Level-Prozesse, Prozesskategorien und Prozesselemente). Die darunter liegende Ebene ist unternehmensspezifisch zu definieren. Anhand vordefinierter In- und Outputfaktoren, Leistungskennzahlen sowie Best-Practices bereit ermöglicht das SCOR-Modell eine prozessorientierte lesitungsmessung. Hier dient es als Grundlage und Ausgangsbasis für ein Prozessbenchmarking im Sinne der oben angeführten Erläuterung.

Zur Unterstützung einer Modellierung von Prozessmodellen wurden die Grundsätze ordnungsmäßiger Modellierung wurden in Anlehnung an die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung entwickelt. Sie dienen der Steigerung der Qualität von Prozessmodellen im Falle einer Bearbeitung an dezentralen Stellen durch mehrere Mitarbeiter eines Unternehmens. Auf diese Weise werden subjektive Einflüsse bei der Erstellung der Prozessmodelle vermieden.

Bezüglich der Modellierung von Prozessen existiert eine Vielzahl an Methoden, welche sich grundsätzlich in Skriptsprachen und Diagrammsprachen differenzieren lassen. Skriptsprachen sind mit Programmiersprachen vergleichbar und sind daher sehr detailliert. Die Anschaulichkeit der Prozessmodelle wird allerding vermindert und die Reduktion der Komplexität der Prozessabläufe nur schwer erreciht. Dies ist jedoch eine zentrale Aufgabe von Modellen. Beispiele für häufig genutzte Diagrammsprachen in Deutschland sind Ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK) sowie die Business Process Model and Notation (BPMN, siehe auch das BPMN-Poster als Referenz).

Zur Erstellung von Prozessmodellen dient eine Vielzahl an Modellierungswerkzeugen unterschiedlicher Anbieter. Durch den Einsatz von Modellierungssoftware wird die Qualtität der Prozessmodelle erhöht und die Erstellung und Bearbeitung der Modelle vereinfacht und beschleunigt. Schnell ändernde Organisationen erfordern die flexible Abbildung dieser Änderungen in den Prozessmodellen. In der Praxis werden Prozessmodell häufig in Form von Standardflussdiagrammen abgebildet und in MS Visio umgesetzt. Dies ermöglicht eine einfache Kommunikation der Ergebnisse.

Quellen

Gaitanides, M. (2007), Prozessorganisation: Entwicklung, Ansätze und Programme des Managements von Geschäftsprozessen, 2. Aufl., München 2007

Mertins, K., Jochem, R., König W., (Hrsg., 1995), Unternehmensmodellierung - Basis für Reengineering und Optimierung von Geschäftsprozessen, Heidelberg 1995

Schütte, R. (1998), Grundsätze ordnungsmäßiger Referenzmodellierung: Konstruktion konfigurations- und anpassungsorientierter Modelle, Münster 1998

Supply-Chain-Council (2008), SCOR Overview Booklet, Auf der Seite der Supply-Chain-Council, www.supply-chain.org/galleries/public-gallery/SCOR%209.0%20Overview%20Booklet.pdf, Zugriff am 13.03.2009


Ersteinstellende Autoren

Prof. Dr. Klaus Möller

Geschäftsführender Direktor

Universität St. Gallen (HSG)

Institut für Accounting, Controlling und Auditing (ACA-HSG)

Lehrstuhl für Controlling / Performance Management

Tigerbergstrasse 9 | CH-9000 St.Gallen

Tel. +41 71 224 7406

Homepage: www.aca.unisg.ch | Mail: klaus.moeller@unisg.ch

Honorary Professor of Management Accounting

Institute of Management Accountants (IMA), USA

Homepage: www.imanet.org


Dr. Tobias Flinspach