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Hockey-Stick-Effekt

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Definition

Unter dem sogenannten "Hockey-Stick-Effekt" versteht man einen unerwünschten Effekt in der Planung. Dieser führt dazu, dass die Zahlen der betrachteten Planungsgröße in einer grafischen Darstellung wie ein Hockey-Schläger aussehen. Typischer Weise mit dem Hockey-Stick gemeinte Größen wären Absatz, Umsatz, EBIT oder Jahresüberschuss.

Beschreibung

Inhaltlich bedeutet der Hockey-Stick, dass die nahe Zukunft in der Planung stabil oder sogar rückläufig ausgewiesen wird, während die ferne Zukunft immer optimistischer dargestellt wird. Dort kommt es zu einem steilen Anstieg von z.B. Umsatz oder Gewinn. In manchen Unternehmen ist zu beobachten, dass die Planungsgröße nicht nur linear sondern sogar überproportional steigt. Das geschieht dann, wenn über mehrere Jahre eine „konstante Wachstumsrate“ eingestellt wird. Dieser Fehler ist typisch für junge Branchen mit einer kleinen (z.B. Umsatz-)Basis und anfangs noch hohen Wachstumsraten. Die Tatsache, dass sich gerade in solchen Branchen besonders viele Start-ups befinden, verschlimmert den Effekt nur, weil keine Korrektur aufgrund von Erfahrungswerten der Vergangenheit erfolgt. Auch wenn kleine Branchen naturgemäß ein hohes Wachstum aufweisen: nicht jedes Start-up kann überleben oder gar die erhofften Wachstumsraten erzielen.

Wird beispielsweise unterstellt, dass der Umsatz jährlich um 10% steigt, dann folgt aus einem Basisumsatz von 10 Mio EUR im ersten Jahr eine Umsatzsteigerung um 1 Mio EUR, im zweiten Jahr um 1,1 Mio EUR und im Jahr 5 bereits um 1,46 Mio EUR. Der Umsatzzuwachs fällt jedes Jahr höher als im vorherigen Jahr aus. Darum müsste diese Steigerung sich auch in der Umsatzkurve zeigen, in dem sich die Steigung im Verlauf der Jahre immer weiter erhöht.

Datei:HockeyStickEFfekt2.jpg

Diese Deutlichkeit in der Darstellung fehlt jedoch meist. Vielmehr wird oft eine Gerade (mit konstanter Steigung) gezeigt. Möglicher Weise ist man sich des mathematischen Effekts gar nicht bewusst. So überrascht es nicht, dass die Zuwächse meist nicht so eintreten wie geplant. Es ist - wie gesagt - ja auch nur ein rein mathematischer Effekt. Inhaltlich wurde er nicht durch Maßnahmen begründet. Er dürfte auch nur in nur sehr wenigen Branchen und für sehr wenige, hoch innovative Produktideen begründbar sein. Vielmehr ersetzt der Wunsch nicht selten die Plausibilitätsprüfung kommender Jahre. Lediglich die nahe Zukunft wird jeweils fundiert begründet: hier wird erklärt, warum das nächste Jahr weniger gut ausfällt. Für die folgenden Jahre wird dagegen die gewünschte Wachstumsrate eingestellt. In der Rückschau wird dies besonders deutlich:

HockeyStickEffekt.jpg

Es ist wichtig zu betonen, dass der Hockey-Stick-Effekt kein reines Vertriebsphänomen ist. Auch andere Abteilungen sind davon betroffen bzw. daran beteiligt. Beispielsweise setzt die Umsatzplanung voraus, dass die angedachten Marketing-Maßnahmen (Radio-/TV-Spots, Messeauftritt, …) wirken, dass der „Ramp-up“ in der Fertigung erfolgreich durchgeführt, dass in der Entwicklungsabteilung rechtzeitig die Serienreife erreicht wird, usw.

Gründe

Folgende Gründe werden hauptsächlich für das Zustandekommen des Hockey-Stick-Effekts angeführt:

• fehlende strategische Untermauerung der operativen und mittelfristigen Planung,

• unrealistische Zielvorgaben durch Eigentümer bzw. Vorgesetzte,

• das Verwechseln von Zielen mit Planung,

• psychologische Effekte bei der Einschätzung der Zukunft, und

• zunehmende Top down-Planungsvorgaben und Zielvereinbarungen


Die ersten drei Punkte hängen eng zusammen. Die Prüfung strategischer Möglichkeiten und Grenzen des eigenen Unternehmens, der Abgleich von Kundenwünschen und eigenen Potenzialen, die Analyse von Wettbewerbern und andere strategische Instrumente finden sich nicht in den Zahlen der Mittelfristplanung wieder, weil die strategische Planung nicht auf die einzelnen Unternehmensbereiche herunter gebrochen und konkretisiert wurde. Stattdessen wird beispielsweise in die Zahlen der Planung hineingeschrieben, dass der Umsatz jährlich um 3 % erhöht wird. Ohne Maßnahmen handelte sich dabei letztlich um einen Wunsch. Die Realisierbarkeit der Wünsche beim Kunden und gegenüber dem Wettbewerb kann nicht durch eine Zahl geprüft werden. Hier wäre ein Businessplan das geeignete Instrument, die Lücke zwischen finanziell begründeter Zielhöhe, dem sogenannten "Gewinnbedarf", und den zu erwartenden Zahlen (zum Beispiel aus einer Analyse des Lebenszyklus) mit Maßnahmen zu schließen.


Der vierte Punkte beschreibt, dass die nahe Zukunft, "das Budget-Jahr", immer besonders schwierig eingeschätzt wird. In der fernen Zukunft dagegen erscheint noch vieles möglich. Das führt dazu, dass man sich dort auch wesentlich mehr zutraut. Die Erreichung von Absatz, Umsatz oder Gewinn ist noch deutlich weniger konkret durchdacht. Die dazu nötigen Schritte wie z.B. Akquirierung neuer Kunden, Entwicklung neuer Produkte, etc., werden als durchführbar eingestuft und implizit bereits als erreicht in die Planung eingestellt. Dass auch die Konkurrenz ebenfalls Schritte zur Umsatzausweitung unternimmt, wird dagegen nicht bedacht oder sogar bewusst ausgeblendet. Man könnte sagen, die Wirksamkeit der eigenen Maßnahmen wird systematisch überschätzt. Sicherlich ist dieser Effekt auch dem psychologisch notwendigen Glauben an die eigene Leistungsfähigkeit geschuldet. Auch werden mögliche künftige Verbesserungen im Umfeld des Unternehmens, wie zum Beispiel eine Konjunkturerholung, stärker bewertet als genauso wahrscheinlich eintretende künftige Risiken. Es regiert das „Prinzip Hoffnung“. Zugleich sind aus der Psychologie verschiedene Effekte der kognitiven Verzerrung, insbesondere bei der Schätzung von Wahrscheinlichkeiten, zu nennen, welche zu systematischen Fehleinschätzungen führen.

Hinzu kommt das Eigeninteresse vieler Mitarbeiter, den Zielvereinbarungsprozess so zu gestalten, dass niedrige Vergleichswerte im Rahmen der Planung es später erleichtern, die Vorgaben zu erreichen und damit seine persönlichen Ziele zu erreichen. Dies hilft, am Jahresende eine Gratifikation/Bonus zu erhalten. Ein im Vertrieb nicht selten zu hörender Satz lautet: „Lieber einmal hart mit dem Chef über Ziele verhandeln, als 100 Mal mit dem Kunden über Preise verhandeln müssen.“

Dies gilt umso mehr, wenn das insgesamt zu erreichende Ziel als „nicht-realistisch“ eingeschätzt wird. Es besteht dann ein Anreiz, für die Ziele der nächsten Jahre ein ungleichmäßiges Vorankommen zu vereinbaren. So wird zunächst zwar ein Rückgang, dann aber eine überproportionale Verbesserung in Aussicht gestellt. Die Zielhöhe des ersten Jahres fällt ungebührlich niedrig aus. Die Planung wird leichter übererfüllt und damit der Bonus erreicht.



Ansatzpunkte zur Überwindung des Hockey-Stick-Effekts

Die Sensibilisierung für kognitive Verzerrungen ist ein erster Schritt. Wichtiger ist jedoch, im Rahmen der Zielvereinbarung das Prinzip der Bonusbank zu berücksichtigen. Im Rahmen der Mittelfristplanung sind neue Produkte, Märkte oder Zielgruppen mittels eines Business Cases zu plausibilisieren. Dabei sollte ein Schwerpunkt auf der strategischen Plausibilisierung liegen.

Besonders wichtig ist zudem die Wahl des Startpunkts: Richtigerweise sollte eine Mittelfristplanung erstellt werden, die retrograd, d.h. vom letzten zum ersten Jahr, erarbeitet wird. Das „Budget-Jahr“ ist in diesem Sinne ein Meilenstein zur Erreichung der Mittelfristplanung. Die Mittelfristplanung selber wiederum ist dann ein Meilenstein zur Erreichung der strategischen Ziele.

Literatur

Business Case: Controlling-Instrument zur Prüfung strategischer Optionen am Beispiel Produktinnovation, Guido Kleinhietpaß, veröffentlicht in "Strategische Controlling Instrumente", Controlling-Berater, Gleich/Klein


Autor

Guido Kleinhietpaß [ http://www.controllerakademie.de]