Wahrscheinlichkeiten
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Die Höhe eines Risikos ist abhängig von der Wahrscheinlichkeit, mit der ein bestimmter Zustand (Szenario) eintritt. Der Wahrscheinlichkeitsbegriff bezieht sich auf unsichere Situationen, bei denen nicht mehr eindeutig auf genau ein bestimmtes Ergebnis geschlossen werden kann, sondern nur auf die Menge möglicher Ergebnisse oder Szenarien (Ätialprinzip). Nach der statistischen (frequentistischen) Auffassung wird die Wahrscheinlichkeit als empirisch gesicherte Aussage über die rela-tive Häufigkeit des Eintretens eines bestimmten Ergebnisses verstanden, wobei eine ausreichend große Stichprobe und eine zeitstabile Wahrscheinlichkeitsverteilung unterstellt wird.
Gemäß der subjektivistischen Wahrscheinlichkeitsauffassung drückt diese im Wesentlichen den Grad des Vertrauens einer Person („Entscheider“) bezüglich der möglichen Realisierung eines bestimmten Ereignisses aus. Zwischen der frequentistischen und der subjektiven Auffassung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs steht die Ableitung einer Wahrscheinlichkeit über das „Design“. Dabei wird die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Ereignisses abgeleitet aus bestimmten Basisinformationen (oder Annahmen) über den jeweiligen Sachverhalt. Wenn beispielsweise bekannt ist, dass mit einem „fairen“ Würfel gewürfelt wird, dessen sechs Seiten die Zahlen von „1“ bis „6“ aufweisen, kann die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer „6“ abgeleitet werden, ohne dass gewürfelt wird. Im Beispiel beträgt die Wahrscheinlichkeit ein Sechstel. Ähnlich lässt sich die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz (oder die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Sanierungsstrategie) ableiten aus einem auf nachvollziehbaren Annahmen basierenden (strukturellen) Simulationsmodell des Unternehmens durch Anwendung der Monte-Carlo-Simulation.
Bei der traditionellen „frequentistischen“ statistischen Auffassung wird die Annahme konstanter Verteilungsparameter (z.B. Standardabweichungen einer Verteilung) getroffen. Meist werden diese als bekannt vorausgesetzt. Im Gegensatz zu diesen traditionellen Verfahren steht die Bayes’sche Statistik. Hier wird keine Konstanz der Verteilungsparameter vorausgesetzt, sondern eine zeit- und zustandsabhängige Modellierung von Verteilungsparametern bzw. Risiken vorgenommen. In Anbetracht der häufig unvollständigen und unbefriedigenden historischen Daten, die die Verwendung subjektiver Schätzungen notwendig machen, erscheint der Bayes’sche Ansatz der Statistik als Grundlage für die quantitative Beschreibung von Risiken besser geeignet.
Der Bayes’sche Ansatz unterscheidet zwischen den bereits vorliegenden (z.B. auch einfach subjektiv geschätzten) Informationen über eine Wahrscheinlichkeitsverteilung (z.B. die Schätzung einer Eintrittswahrscheinlichkeit), den durch eine neu durchgeführte Erhebung oder ein Experiment neu beschafften Informationen und der sich aus der Verbindung dieser beiden ergebenden (neuen) A-posteriori-Verteilung.
Der Ansatz verdeutlicht und modelliert dabei einen optimalen Lernprozess, bei dem in Abhängigkeit des Vorliegens neuer Informationen (z.B. eines Experiments) die bestehenden Informationen einer Risikoquantifizierung verbessert werden. Der Bayes’sche Ansatz ist damit insbesondere geeignet, den in der Praxis der Unternehmen bei der Risikoquantifizierung erforderlichen Prozess des kontinuierlichen Lernens aufgrund neuer Informationen abzubilden.
Literatur
Gleißner, W. (2017): Grundlagen des Risikomanagements, 3. Aufl., Vahlen Verlag München
Taleb, N. N. (2008): Der Schwarze Schwan: Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse, Carl Hanser Verlag, München 2008
Siehe Gigerenzer, G. (2013): Risiko – Wie man die richtigen Entscheidungen trifft, 2. Aufl., Bertelsmann Verlag München
Alexander, C. (2003): Operational Risk-Regulation, Analysis and Management, London, S. 129–170