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Komplexitätscontrolling

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Zusammenfassung

Die Beherrschung und gezielte Steuerung von Komplexität im Unternehmen gehört zu den Kernaufgaben von Führungskräften. Die präzise Erfassung und Bewertung von Komplexität stellt unter anderem das Controlling und die Kostenrechnung vor neue Herausforderungen. Die Maßnahmen zum Komplexitätsmanagement müssen kontinuierlich hinsichtlich ihrer Erfolgswirkung beurteilt werden. Das Komplexitätscontrolling baut auf dem Konzept der Balanced Scorecard auf, wobei die Perspektiven, sowie die Ziele und Kennzahlen an die Anforderungen des Komplexitätsmanagements angepasst sind.

Motivation und Problemstellung

Komplexitätsmanagement ist heute eine zentrale Aufgabe produzierender Unternehmen, welche die gesamte Wertschöpfungskette betrifft. Komplexitätscontrolling muss daher über die Betrachtung rein finanzieller Kennzahlen hinausgehen. Ausgehend von den finanziellen Zielen eines Unternehmens sollte insbesondere die Erfüllung der Kundenanforderungen im Mittelpunkt stehen. Unter Komplexitätsmanagement darf keinesfalls eine reine Vermeidung oder Reduzierung der Variantenvielfalt (siehe auch Variantenkostenrechnung) verstanden werden, sondern es muss vielmehr versucht werden, die Kundenanforderungen durch geschickte Gestaltung der Prozesse und der Produktarchitektur möglichst günstig und einfach bedienen zu können. Aus diesem Grund müssen die genannten Dimensionen Finanzen, Erfüllung von Kundenanforderungen, Prozesse und Produktarchitektur im Rahmen der Konzeption eines Komplexitätscontrollings berücksichtigt werden.

Abhängig von der strategischen Ausrichtung des Unternehmens können die Ziele der einzelnen Dimensionen dabei stark variieren. Einige zentrale Aspekte können jedoch identifiziert werden, welche generisch anwendbar sind. Für diese Ziele müssen klare Vorgaben definiert werden und diese Vorgaben müssen entsprechend regelmäßig kontrolliert werden.

Ein bekanntes Performance Measurement Konzept ist die von KAPLAN und NORTON beschriebene Balanced_Scorecard (BSC). Diese ermöglicht es, unterschiedliche Perspektiven einer Unternehmung bei der Leistungsbewertung zu berücksichtigen. Auf diese Weise fließen auch nicht-finanzielle Aspekte und Kennzahlen in die Beurteilung mit ein (Kaplan und Norton, 1996). Neben der reinen Leistungsbeurteilung dient die BSC auch der Kommunikation bzw. Übersetzung von Mission und Vision eines Unternehmens in daraus abgeleitete operative Unternehmensstrategien. Die BSC erlaubt daher, im Gegensatz zu herkömmlichen Kennzahlensystemen, die strategische Führung einer Unternehmung (Junge, 2004). Für den vorliegenden Anwendungsfall bietet sie daher alle notwendigen Voraussetzungen, um den Erfolg des gewählten Ansatzes zum Komplexitätsmanagement ganzheitlich zu beurteilen.

Konzeption

In einem ersten Schritt müssen die Perspektiven der klassischen BSC nach Kaplan und Norton an die Anforderungen des Komplexitätsmanagement angepasst werden. Wie bereits beschrieben müssen dabei die Dimensionen Finanzen, Kundenzufriedenheit, Prozesse und Produktarchitektur berücksichtigt werden. Aus diesem Grund werden für das Komplexitätscontrolling die folgenden vier Perspektiven definiert:

1. Finanzperspektive

2. Marktperspektive

3. Prozessperspektive

4. Produktarchitekturperspektive

Insbesondere die Produktarchitekturperspektive wird in bestehenden Ansätzen bisher nicht berücksichtigt. Diese bildet aber die Grundlage für die anderen Perspektiven und damit ein erfolgreiches Komplexitätsmanagement. Für jede der vier Perspektiven können generische Komplexitätsmanagement-Ziele definiert werden. Die Ziele je Perspektive sind in Abbildung 1 dargestellt.

Komplexitätscontrolling 1.jpg

Aufgrund unternehmensspezifischer Rahmenbedingungen lassen sich weitere Ziele ergänzen. Die Ziele sind nicht unabhängig voneinander, sondern haben Abhängigkeiten, welche genutzt werden können, um gezielt Optimierungspotenziale zu erschließen. Beispielsweise hängt die Reaktionszeit maßgeblich von der Durchlaufzeit ab. Diese wiederum hängt vom Standardisierungsgrad ab. Somit sollten bei Abweichung der Reaktionszeit von den Vorgabewerten Maßnahmen bzgl. der Durchlaufzeit und der Standardisierung ergriffen werden. Die Abhängigkeiten können in Form einer Strategymap (Beziehungsdiagramm der Ziele) modelliert werden.

Jedes der genannten Ziele muss durch entsprechende Kennzahlen operationalisiert werden. In der Literatur existieren zahlreiche Kennzahlensysteme. Auf Basis einer Nutzwertanalyse wurden geeignete Kennzahlen für die in Abbildung 1 dargestellten Ziele identifiziert und zugeordnet. Die Anzahl der zu erhebenden Kennzahlen liegt im Spannungsfeld zwischen einem möglichst hohen Informationsgehalt (viele Kennzahlen) und einer einfachen Anwendbarkeit in der Praxis (möglichst wenig Kennzahlen). Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass ca. 30 Kennzahlen für die meisten Unternehmen noch handhabbar sind. Generell sollten die Daten dabei möglichst automatisiert auf Basis der IT-Systeme bereitgestellt werden. Auf Basis der empirischen Erfahrungen wurden insgesamt 31 Kennzahlen definiert. Diese sind in Abbildung 2 dargestellt.

Komplexitätscontrolling 2.jpg

Zur Anwendung des vorgestellten Konzeptes müssen Vorgabewerte für jedes Ziel und damit auch die entsprechenden Kennzahlen definiert werden, welche regelmäßig kontrolliert werden. Bei Abweichung von den Soll-Werten können entsprechende Optimierungsmaßnahmen abgeleitet werden. Die Anwendung lässt sich in einem Template zusammenfassen, welches in Abbildung 3 dargestellt ist.

Komplexitätscontrolling 3.jpg

Lesen Sie dazu auch

Complexity Scorecard

Complexity Capability Audit

Literatur

Junge, Controlling modularer Produktfamilien in der Automobilindustrie. Entwicklung und Anwendung der Modularisierungs-Balanced-Scorecard, 2004.

Kaplan & Norton, Using the Balanced Scorecard as a Strategic Management System, in: Best of Harvard Business Review July - August 2007.

Lesen Sie dazu auch: Variantenkostenrechnung

Ersteinstellender Autor

Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Günther Schuh, Werkzeugmaschinenlabor WZL - RWTH Aa-chen Lehrstuhl für Produktionssystematik, Tel.: +49 241 80-27404, [1]

Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. M.Eng. Stefan Rudolf, Werkzeugmaschinenlabor WZL - RWTH Aachen Lehrstuhl für Produktionssystematik, Tel.: +49 241 80-27379, [2]

Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Till Vogels, Werkzeugmaschinenlabor WZL - RWTH Aachen Lehrstuhl für Produktionssystematik, Tel.: +49 241 80-20617, [3]