Latente Steuern im Jahresabschluss: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 9. Mai 2014, 14:52 Uhr
Inhaltsverzeichnis
1. Ansatz
Voraussetzung für den Ansatz Latenter Steuern im Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft und einer haftungsbeschränkten Personenhandelsgesellschaft (§ 264a Abs. 1 HGB) sind nach § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB Differenzen zwischen den handelsrechtlichen Wertansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten und ihren steuerlichen Wertansätzen. Die Differenzen müssen sich in späteren Jahren voraussichtlich wieder abbauen, wobei nach dem sog. „Temporary-Konzept“ auch sog. „Quasi-permanente Differenzen“ mit einzubeziehen sind.
Die unterschiedlichen Kategorien von Differenzen zwischen den handels- und steuerrechtlichen Wertansätzen führen zu zwei Arten von Latenten Steuern:
a) Aktiva
a1) Handelsrechtlicher Wert > Steuerlicher Wert → Passive Latente Steuern
a2) Handelsrechtlicher Wert < Steuerlicher Wert → Aktive Latente Steuern
b) Passiva
b1) Handelsrechtlicher Wert > Steuerlicher Wert → Aktive Latente Steuern
b2) Handelsrechtlicher Wert < Steuerlicher Wert → Passive Latente Steuern
Beispiele:
zu a1): Sachanlagevermögen wird handelsrechtlich linear, steuerlich geometrisch-degressiv abgeschrieben.
zu a2): Umlaufvermögen wird handelsrechtlich auf den niedrigeren beizulegenden Wert abgeschrieben, steuerlich mangels „dauernder“ Wertminderung aber nicht.
zu b1): Pensionsrückstellungen werden handelsrechtlich höher bewertet als dies nach § 6a EStG möglich ist.
zu b2): Fremdwährungsverbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit bis zu einem Jahr werden gem. § 256a HGB handelsrechtlich niedriger bewertet als nach Steuerrecht (Bewertungsvorbehalt des § 6 EStG)
Ergibt sich insgesamt ein Überhang an Passiven Latenten Steuern, so besteht eine Passivierungspflicht gem. § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB. Sollte sich hingegen insgesamt ein Überhang an Aktiven Latenten Steuern, so besteht ein Aktivierungswahlrecht gem. § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB.
Neben den Latenten Steuern als Folge der zuvor beschriebenen Bewertungsdifferenzen, sind gem. § 274 Abs. 1 Satz 4 HGB Aktive Latente Steuern zu berücksichtigen, die sich aus steuerlichen Verlustvorträgen ergeben, sofern diese innerhalb der nächsten fünf Jahre mit steuerlichen Gewinnen verrechnet werden können. Nach DRS 18.21 gilt diese 5-Jahresfrist nicht, soweit die hieraus sich ergebenden Aktiven Latenten Steuern zur Vermeidung Passiver Latenter Steuern verwendet werden. Nach DRS 18.37 sind auch sog. „Außerbilanzielle Korrekturen“ bei der Berechnung Latenter Steuern zu berücksichtigen. Ein Beispiel hierfür ist der Investitionsabzugsbetrag gem. § 7g Abs. 1 EStG.
§ 274a Nr. 5 HGB befreit Kleine Kapitalgesellschaften zwar von der Anwendung des § 274 HGB, sollte es sich jedoch um Passive Latente Steuern mit Rückstellungscharakter handeln, so sind diese gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB von allen bilanzierenden Kaufleuten anzusetzen. Siehe hierzu IDW RS HFA 7, Tz. 26.
2. Bewertung
2.1 Erstbewertung
Latente Steuern sind gem. § 274 Abs. 2 Satz 1 HGB mit dem unternehmensindividuellen Steuersatz im Zeitpunkt des Abbaus der Differenzen zu bewerten. Der Steuersatz zu diesem zukünftigen Zeitpunkt wird mit dem aktuellen Steuersatz gleichgestellt, es sei denn, der Bundesrat hat zum Bilanzstichtag bereits einer Steuersatzänderung zugestimmt (DRS 18.48). Aktuell (Stand: 1. Dezember 2012) ergibt sich bei Kapitalgesellschaften ein kombinierter Ertragsteuersatz in Höhe von ca. 30 %, während bei einer Personenhandelsgesellschaft die in der Handelsbilanz auszuweisende Gewerbesteuer vom Hebesatz abhängt; bei H=400 % ergibt sich ein Gewerbesteuer-satz von 14 %.
Latente Steuern sind aus Vereinfachungsgründen (im Gegensatz zum Abzinsungsgebot nach § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB) gem. § 274 Abs. 2 Satz 1 HGB nicht abzuzinsen.
2.2 Folgebewertung
Die ausgewiesenen Posten sind gem. § 274 Abs. 2 Satz 2 HGB aufzulösen, sobald die Steuerbe- oder -entlastung eintritt oder mit ihr nicht mehr zu rechnen ist. Im Hinblick auf eine Steuersatzänderung gilt, dass diese zu berücksichtigen ist (siehe auch DRS 18.46-48).
3. Ausweis
Für Latente Steuern sieht § 266 Abs. 2 und 3 HGB sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite einen gesonderten Bilanzposten vor. Es besteht gem. § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB ein Ausweiswahlrecht: Aktive und Passive Latente Steuern können unverrechnet jeweils auf der Aktiv- bzw. Passivseite ausgewiesen werden. Sie können aber auch saldiert werden, worauf das Wort „insgesamt“ in den Sätzen 1 und 2 des § 274 Abs. 1 HGB hinweist. Zum Ansatzwahlrecht bei einem sich insgesamt ergebenden Aktivüberhang siehe Abschnitt 1.
Gem. § 274 Abs. 2 Satz 3 HGB ist der Aufwand oder der Ertrag aus der Veränderung bilanzierter Latenter Steuern in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert unter dem Posten „Steuern vom Einkommen und vom Ertrag“ auszuweisen.
4. Anhangangaben
Gem. § 285 Nr. 29 HGB ist im Anhang anzugeben, auf welchen Differenzen oder steuerlichen Verlustvorträgen die Latenten Steuern beruhen und mit welchen Steu-ersätzen die Bewertung erfolgt ist. Diese Angaben sind auch zu machen, sollten infolge der Wahlrechtsausübung bei einem Aktivüberhang keine Latenten Steuern in der Bilanz angesetzt werden.
Strittig ist die Erstellung einer sog. Steuerlichen Überleitungsrechnung nach DRS 18.67.
Von den Anhangangaben sind Kleine und Mittelgroße Kapitalgesellschaften nach § 288 Abs. 1 und 2 Satz 2 HGB befreit.
5. Ausschüttungssperre
Nach § 268 Abs. 8 HGB sind bei Vorliegen folgender Voraussetzungen Ausschüt-tungssperren zu beachten:
aa) Ansatz Selbst geschaffener Immaterieller Vermögensgegenstände des Anlage-vermögens unter Beachtung der hierfür gebildeten Passiven Latenten Steuern bb) Ansatz Aktiver Latenter Steuern, soweit sie die Passiven Latenten Steuern über-steigen cc) Ansatz von Vermögensgegenständen i. S. d. § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB soweit diese die Anschaffungskosten übersteigen unter Beachtung der hierfür gebildeten Passiven Latenten Steuern
Ohne größenabhängige Erleichterung sind hierzu Anhangangaben nach § 285 Nr. 28 HGB zu machen.
6. Ertragsteuerliche Besonderheiten
Nach herrschender Meinung sind in der Steuerbilanz keine Latenten Steuern anzusetzen. Soweit Latente Steueraufwendungen oder -erträge das handelsrechtliche Ergebnis vermindert oder erhöht haben, sind diese Änderungen für die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage wieder zu eliminieren. Nach DRS 18.39 sind bei Personenhandelsgesellschaften etwaige Ergänzungsbilanzen, nicht aber Sonderbilanzen zu berücksichtigen.
Literaturquellen
DRS 18: Latente Steuern, veröffentlicht am 03. Sept. 2010
IDW RS HFA 7: Handelsrechtliche Rechnungslegung bei Personenhandelsgesellschaften, Stand: 06. Febr. 2012
Coenenberg, Adolf et al: Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 22. Auflage, Stuttgart 2012, dort S. 470-503
Bearbeiter
Prof. Dr. Wolfgang Hirschberger
Duale Hochschule Baden-Württemberg Villingen-Schwenningen
Studiengang Controlling und Consulting [1]