Business Analytics Process: Unterschied zwischen den Versionen
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=== 1. Phase – Traditionelle Analysen === | === 1. Phase – Traditionelle Analysen === | ||
− | Die erste Entwicklungsphase (Mitte 1950er bis 2000) war gekennzeichnet durch vorwiegend | + | Die erste Entwicklungsphase (Mitte 1950er bis 2000) war gekennzeichnet durch vorwiegend deskriptive Analysen bzw. „klassisches“ Reporting. Ziel war es, auf Basis von internen und strukturierten Daten, die in der Vergangenheit liegenden Vorgänge zu beschreiben. Prädiktive oder präskriptive Analysen kamen hier kaum zum Einsatz. Die Durchführung umfangreicher statistischer Analysen dauerte oft mehrere Tage oder Wochen. Dabei war die Aufbereitung der Daten eine größere Herausforderung als die Analyse der Daten selbst. So verbrachten Analysten mehr Zeit mit der Aufbereitung der Daten als mit der eigentlichen Analyse. |
=== 2. Phase – Big Data === | === 2. Phase – Big Data === |
Version vom 28. Mai 2021, 11:38 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
„Das Ziel von Business Analytics ist es, betriebswirtschaftliche Probleme im gesamten Managementzyklus von Planung, Steuerung und Kontrolle evidenzbasiert zu lösen. Unter Evidenzen werden begründete, objektive Einsichten in einen Sachverhalt verstanden. Sie werden im Zuge des Business Analytics-Prozesses auf Basis von Daten aus verschiedensten Bereichen innerhalb und außerhalb des Unternehmens mittels Algorithmen aus den Bereichen Statistik, Data Mining und Machine Learning gewonnen“ (Seiter 2019, S. 2).
Business Analytics-Prozess
„Analytics“ beschreibt die umfassende Nutzung von Daten, statistischen und quantitativen Analysen sowie erklärenden und voraussagenden Modellen (vgl. Davenport/Harris 2007). Der Begriff „Business“ unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass diese Methoden und Modelle im betrieblichen Kontext eingesetzt werden, um datengetriebene Managemententscheidungen herbeizuführen. Business Analytics umschreibt somit die systematische und kontinuierliche Auswertung von Daten, um einerseits vergangenheitsorientiert die unternehmerische Tätigkeit zu analysieren und Erkenntnisse daraus für die zukünftige Steuerung zu erlangen sowie andererseits Prognosen für zukünftige Entwicklungen zu generieren (vgl. Chamoni/Gluchowski 2017).
Dabei stehen neben einer Vielzahl mathematischer Verfahren auch der betriebswirtschaftliche Rahmen und die notwendigen Informationstechnologien im Fokus. Der Business Analytics-Prozess zeigt die vier Bausteine Framing, Allocation, Analytics sowie Preparation (siehe Abb. 1). Grundsätzlich handelt es sich hierbei um einen linearen Prozess, bei dem jedoch die Phasen Allocation und Analytics mehrfach durchlaufen werden können (vgl. Seiter 2019).
Abbildung 1: Business Analytics-Prozess (Seiter 2019, S. 2)
- Der Teilprozess Framing widmet sich der Identifikation des betriebswirtschaftlichen Problems sowie der Ableitung des zugehörigen Analytics-Problems. Das betriebswirtschaftliche Problem adressiert ein reales Problem im Unternehmen, welches bspw. anhand des Business Model Canvas identifiziert werden kann. Das Analytics-Problem umfasst bereits die Lösungsidee für das betriebswirtschaftliche Problem, welches mithilfe von Algorithmen gelöst werden kann.
- Der Teilprozess Allocation stellt die zur Lösung des Analytics-Problems notwendigen Ressourcen sicher. Die relevantesten Ressourcen sind Daten, IT sowie Personal. Dabei ist sicherzustellen, dass die Daten in einer ausreichend guten Qualität vorliegen (zu beachten sind hierbei Vollständigkeit, Korrektheit, Umfang sowie Aktualität der Daten). Die IT muss für die Lösung neben der Software (Analytics-Software) auch die notwendige Hardware (rechenstarke Hardware) bereitstellen. Eine immer größere Rolle spielen dabei Cloud-Lösungen. Darüber hinaus muss der Business Analytics-Prozess auch in der Organisation verankert werden (Seiter 2019).
- Im Teilprozess Analytics wird das zuvor identifizierte Analytics-Problem gelöst, indem datenbasiert Evidenzen gewonnen werden. Der Prozess unterteilt sich in Datenaufbereitung, Datenanalyse und Ergebnisevaluation. Speziell die Datenaufbereitung (u. a. Datenkonsolidierung, Datenbereinigung, Datentransformation und Datenreduktion) entsprechend den Anforderungen des anzuwendenden Algorithmus ist essenziell (vgl. Wu et al. 2008). Algorithmen lassen sich unterschiedlichen Analysemethoden zuordnen, wobei man deskriptive, prädiktive sowie präskriptive Methoden unterscheidet. Beispiele für Algorithmen sind: Clusteranalyse, Assoziationsanalyse, Ausreißeranalyse, Text Mining, Social Network-Analyse, Regressionsanalyse, Klassifikationsanalyse, Zeitreihenanalysen sowie Simulation und Optimierung. Die Lösung des Problems wird anschließend bspw. durch das Messen der Prognosequalität evaluiert. Gängige Gütemaße sind Homogenitätsmaße sowie die ROC-Kurve (vgl. Seiter 2019).
- Der Teilprozess Preparation umfasst die Aufbereitung der gewonnenen Rohevidenzen. Erstens, die Visualisierung, d. h. die Überführung der Evidenzen in eine passende bildhafte Darstellung. Für Clusteranalysen eignen sich bspw. Dendrogramme, Tabellen oder Punktwolken (vgl. Witten et al. 2017). Zweitens, die Darlegung von Einschränkungen. Evidenzen unterliegen gewissen Gültigkeitsgrenzen, bspw. in Bezug auf Raum, Zeit und Inhalt. Darüber hinaus sind vor allem die Prämissen, Daten sowie der angewendete Algorithmus limitierende Faktoren für die Generalisierbarkeit der Evidenzen. Drittens, die Klärung der zugrundeliegenden Mechanismen, die erst die Nutzung der gewonnenen Rohevidenzen erlaubt. Bspw. können die gewonnenen Ergebnisse einer Regressionsanalyse Scheinkorrelationen ausgeben, welche durch unberücksichtigte Drittvariablen verursacht werden. Nach der Preparation werden die Evidenzen an den Nutzer (bspw. das Management) übergeben.
Entwicklungsphasen der Business Analytics
Seit jeher ist die datenbasierte Planung und Steuerung zentraler Bestandteil des Controllings. In den letzten Jahren haben sich jedoch Detailgrad und Erkenntnisgewinn der zum Einsatz kommenden Datenanalysen stetig weiterentwickelt. Statistische Analysen sowie erklärende und voraussagende Modelle gewinnen dabei immer mehr an Bedeutung. Es lassen sich drei Entwicklungsphasen unterscheiden: Traditionelle Analysen, Big Data und datengetriebene Wirtschaft (vgl. Davenport 2013).
1. Phase – Traditionelle Analysen
Die erste Entwicklungsphase (Mitte 1950er bis 2000) war gekennzeichnet durch vorwiegend deskriptive Analysen bzw. „klassisches“ Reporting. Ziel war es, auf Basis von internen und strukturierten Daten, die in der Vergangenheit liegenden Vorgänge zu beschreiben. Prädiktive oder präskriptive Analysen kamen hier kaum zum Einsatz. Die Durchführung umfangreicher statistischer Analysen dauerte oft mehrere Tage oder Wochen. Dabei war die Aufbereitung der Daten eine größere Herausforderung als die Analyse der Daten selbst. So verbrachten Analysten mehr Zeit mit der Aufbereitung der Daten als mit der eigentlichen Analyse.
2. Phase – Big Data
Die zweite Entwicklungsphase (2000 bis heute) begann mit der profitablen Verwertung von Daten aus dem World Wide Web. Online-Unternehmen wie Google oder eBay schafften es innerhalb kürzester Zeit, ihre datenbasierten Geschäftsmodelle umzusetzen. Zwar liegt der Fokus in dieser Phase noch immer auf deskriptiven Analysen, allerdings werden nun auch unstrukturierte Daten analysiert. Zudem gewinnen unternehmensexterne Daten immer mehr an Bedeutung. Neue Technologien wie In-Memory-Datenbanken oder Hadoop ermöglichen es, große Datenmengen in Echtzeit auszuwerten. Komplexe Analysen können so um ein Vielfaches schneller durchgeführt werden.
3. Phase – Datengetriebene Wirtschaft
Heute befinden wir uns auf der Schwelle zur dritten Entwicklungsphase, die davon gekennzeichnet ist, dass die meisten betrieblichen Entscheidungen datengetrieben sind. Dabei erzielen nicht nur Online-Unternehmen, sondern auch Unternehmen aus traditionellen Branchen erhebliche Wettbewerbsvorteile. Diese Wettbewerbsvorteile lassen sich insbesondere auf den Einsatz prädiktiver und präskriptiver Analysen zurückführen. Deskriptive Analysen spielen in diesem Zusammenhang lediglich eine untergeordnete Rolle. Zudem werden strukturierte und unstrukturierte sowie interne und externe Daten je nach Zielsetzung bedarfsweise kombiniert.
Business Analytics und Controlling
Die Notwendigkeit von Controlling ergibt sich aus der Herausforderung, angesichts von Dynamik und Komplexität im Unternehmensumfeld die Organisation auf ihre Zielsetzung auszurichten und dabei dauerhaft ihre Existenz zu sichern (vgl. Horváth/Gleich/Seiter 2020). Die Kernkompetenzen des Controllings liegen in der Planung, Koordination und Kontrolle der Unternehmensziele sowie der zielgerichteten Versorgung der Unternehmensführung mit entscheidungsrelevanten Informa-tionen. Daher ist der Controller von jeher mit der zielgerichteten Analyse von Daten vertraut. Business Analytics offeriert dem Controlling einen vielseitigen methodisch-technologischen Werkzeug-kasten (vgl. Mahlendorf 2020). Insbesondere in einem VUCA-geprägten (volatile, uncertain, complex, ambiguous) Unternehmensumfeld erlaubt Predictive Analytics das frühzeitige Erkennen von Trends und Gefahren. Der Einsatz von Business Analytics-Methoden birgt Möglichkeiten, nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erlangen: von der Geschäftsmodellinnovation vor allem im Bereich Big Data, bspw. zur Messung von Kundenmeinungen und -verhalten (Sentiment Analytics), bis hin zum Nutzen für klassische Unternehmen in der Planung und Kontrolle (vgl. Möller/Pieper 2019).
Entsprechend vielfältig sind auch die Einsatzgebiete von Business Analytics (vgl. Seiter 2019):
- verbesserte Informationsversorgung und Planungsunterstützung,
- verbesserte Financial Forecasts,
- Weiterentwicklung von Werttreiberbäumen, u.v.m.
Schnellere, agilere und proaktive Ansätze der Unternehmenssteuerung sind gefragt, um wettbe-werbsfähiges Handeln sicherzustellen. Infolgedessen wird prädiktiven Ansätzen wie Prognose- und Frühwarnmodellen sowie Trendanalysen ein hohes Potenzial zur zukünftigen Entscheidungsunterstützung zugeschrieben. Controller müssen daher Business Analytics-Kompetenzen erwer-ben, wobei aufgrund von begrenzter Fortbildungszeit insbesondere die Erarbeitung der Hauptme-thoden Regressionsanalyse, Zeitreihenanalyse und Klassifikation sinnvoll ist (vgl. Seiter 2018). Der Einsatz von prädiktiven Modellen und Analysen ist dabei nicht auf Prozesse der strategischen und operativen Planung sowie des Forecasts beschränkt, sondern über sämtliche Controllingprozesse wie Kostenrechnung, Management Reporting und Risikomanagement hinweg möglich (vgl. Mehanna et al. 2017). Eine weitere Anwendungsmöglichkeit ist die kontinuierliche Simulation des EBITA. Hierzu werden zukünftige finanzielle sowie nicht-finanzielle Kennzahlen automatisiert er-mittelt und Handlungsempfehlungen für die Unternehmenssteuerung abgeleitet (vgl. Mehanna et al. 2017).
Business Analytics-Methoden bergen zudem auch Potenzial für die Geschäftsmodellinnovation, sei es durch die Schaffung eines neuen datenbasierten Geschäftsmodells oder die Optimierung des bestehenden Geschäftsmodells durch Daten bzw. deren Analyse. Eine wichtige Rolle spielen hier Kundendaten, deren Analyse Rückschlüsse auf die Kundenbedürfnisse zulässt um sowohl neuartige Angebote als auch Verbesserungen des Produktportfolios umzusetzen (vgl. Seiter 2019). Ein weiterer Ansatz ist die datenbasierte Wertsicherung. Diese beschreibt die Nutzung von Daten, um neue Angebote zu schaffen. Diese Kundenbindung kann bspw. durch Nutzungsgebühren auf der Basis von Nutzungsdaten erfolgen (vgl. Horváth 2020).
Quellen
Chamoni, P.; Gluchowski, P. (2017): Business Analytics — State of the Art. In: Controlling Manage-ment Rev 61 (4), S. 8–17.
Davenport, T. (2013): The Rise of Analytics 3.0 – How to Compete in the Data Economy, Oregon 2013.
Davenport, T.; Harris, J. (2007): Competing on Analytics – The New Science of Winning, Boston 2007.
Davenport, T.; Kim, J. (2014): Keeping Up with the Quants – Your Guide to Understanding and Us-ing Analytics, Boston.
Horváth, P. (2020): Datenbasierte Geschäftsmodelle auf dem Vormarsch. In Controlling 32 (S), S. 4–7.
Horváth, P.; Gleich, R.; Seiter, M. (2020): Controlling. 14. Aufl., Stuttgart.
Mahlendorf, M. (2020): Digitalisierte Funktionen - Wie Lösungen in Finance und Controlling greifen. In: return, 7, 4, S. 60–61.
Mehanna, W., Tatzel, J. und Vogel, P. (2016): Business Analytics im Controlling, Fünf Anwendungs-fehler, in: Controlling : Zeitschrift für erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung 28, 8/9, S. 502–508.
Möller, K.; Pieper, S. (2015): Predictive Analytics im Controlling – Chancen für bessere Entscheidun-gen erkennen und nutzen. In: IM + io: das Magazin für Innovation, Organisation und Ma-nagement, 4, S. 40–45.
Seiter, M. (2018): Business Analytics – Möglichkeiten für Unternehmenssteuerung (Interview). In: Controller Magazin (2018), 3, S. 35-39
Seiter, M. (2019): Business Analytics – Wie Sie Daten für die Steuerung von Unternehmen nutzen, 2. Aufl., München.
Witten, I. H., Frank, E., Hall, M. A., Pal, C. J. (2017): Data Mining – Practical Machine Learning Tools and Techniques, 4. Auflage, Cambridge, MA.
Wu, X., Kumar, V., Quinlan, J. R., Ghosh, J., Yang, Q., Motoda, H., McLachlan, G. J., Ng, A., Liu, B., Yu, P. S., Zhou, Z.-H., Steinbach, M., Hand, D. J., Steinberg, D. (2008): Top 10 algorithms in data mining, in: Knowledge Information Systems, 14, 1, S. 1–37.
Ersteinstellender Autor
Prof. Dr. Mischa Seiter, Institut für Business Analytics, Universität Ulm.
Homepage: https://www.uni-ulm.de/mawi/iba | Mail: mischa.seiter@uni-ulm.de