Prozessmanagement: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 13. Mai 2017, 18:12 Uhr
Prüfsiegel gültig bis 21.02.2020
Inhaltsverzeichnis
Prozessmanagement
= Prozess (lat. procedere, vorangehen, weiter gehen) + Management (lat. manus agere, mit der Hand machen, führen)
bedeutet Versuche, Prozesse aller Art, im speziellen aber auch Geschäftsprozesse, so zu lenken, steuern oder führen, dass die beabsichtigten Ziele erreicht werden.
Controlling – lenken, steuern, regeln – spielt dabei eine nicht unerhebliche Rolle.
Wenn berücksichtigt wird, dass auf dieser Welt nichts ewig, mithin alles der Veränderung anheimgegeben ist, betrifft Prozessmanagement grundsätzlich alle Artefakte, alles, was von Menschen erzeugt, gestaltet, betrieben oder vernichtet wird.
Die Einflussmöglichkeiten der Manager (Prozessverantwortlichen, Prozesseigner) sind unterschiedlich in Abhängigkeit nicht nur von deren Qualifikation und Kompetenz, sondern auch in Abhängigkeit von der Art des Prozesses:
Bei deterministischen Prozessen, bei denen jeder Zustand kausal von anderen, vorherigen, abhängig ist und von diesen begrenzt wird, sollte Management mit naturwissenschaftlichen und technischen Methoden – je nach Kompetenz des Managers in diesen Fächern – gut und erfolgreich möglich sein.
Die allermeisten Geschäftsprozesse, und das ist das wesentliche Einsatzgebiet, sind jedoch stochastische Prozesse (Zufallsprozesse), bei welchen ein angestrebtes Ergebnis aus den vorhandenen Voraussetzungen nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit folgt. Die Wahrscheinlichkeit zu verbessern und die Schwankungsbreite der möglichen Ergebnisse so einzuschränken, dass „negative“ Ergebnisse, Katastrophen und Kollateralschäden mit großer Wahrscheinlichkeit vermieden werden, ist Aufgabe von (Geschäfts-) Prozessmanagement. Erschwerend kommt hinzu, dass die Mehrzahl dieser Prozesse aus Gemeinkosten finanziert wird, was einen Vergleich mit alternativen Abläufen erheblich erschwert.
Den Grad der Erreichung festzustellen, zu bewerten und gegebenenfalls zu verbessern, ist Aufgabe auch des Controlling.
Organisation und Abgrenzung
Historisch war das Organisationsmodell von Wirtschaftsunternehmen im Wesentlichen eine Personalstruktur unter der Führung des Eigentümers; „Wer macht was?“. Mit der Entwicklung und Verbreitung der Betriebswirtschaftslehre etwa Anfang der 1930er Jahre verlagerte sich der Schwerpunkt auf das „Wie macht man das?“, das Organisationsmodell änderte sich allmählich von reiner Aufbauorganisation zu immer wichtiger werdender Ablauforganisation. Dennoch sind bis heute in vielen Unternehmen bestimmte (und zumeist sehr wichtige) Prozesse „abteilungsübergreifend“, als Zeichen dafür, dass gewichtige Persönlichkeiten im Unternehmen und deren Meinungen und Standpunkte zu berücksichtigen sind, auch wenn dies zulasten der Abläufe und deren Ergebnissen geht.
Abgrenzung
Prozessmanagement bezieht sich ausschließlich auf die Organisation der Abläufe im Unternehmen, deren Effizienz, Effektivität und Zuverlässigkeit. Als weitere Einschränkung sei erwähnt: Prozessmanagement betrifft ausschließlich repetitive Abläufe, also solche, die sich regelmäßig wiederholen. Alle Fertigungsprozesse sind Gegenstand des Prozessmanagements, aber auch Führungs- und Unterstützungsprozesse wie z. B. Beschaffung von Material und Ressourcen, Instandhaltung und Wartung von Maschinen und Geräten, Prüfung und Dokumentation, Berichtserstellung, usw. Damit wird deutlich, dass es in einem Unternehmen auch Abläufe gibt, die NICHT Gegenstand von Prozessmanagement sind: Diese werden im Allgemeinen unter dem Titel „Projekte“ zusammengefasst und sind im Wesentlichen einmalige Vorgänge; für diese sind allgemeine Zielvorgaben, Abfolgen und anzuwendende Methoden anfangs nicht vorhanden und müssen daher im Einzelfall formuliert und festgelegt werden.
Methoden und Konzepte
Geschäftsprozessmodellierung (Process mapping)
Der Begriff “Prozessmodell” bezeichnet ein bewährtes Instrument der Visualisierung der Logik oder Planung von Abfolgen, Zusammenhängen und Abhängigkeiten, das vorwiegend im Prozess-Engineering Anwendung findet. Die einfachste Form jedes Prozessmodells ist I-P-O, das Input – Prozess – Output Symbol. Jedes einzelne Element (Ereignis oder Aktivität) eines Prozesses lässt sich in dieser Form darstellen.
Colette Rolland stellte fest, dass Prozesse der gleichen Art mit jeweils einem Modell beschrieben werden können, dass das Modell also als Abstraktion auf Typus-Ebene gelten kann.
Der Zweck eines solchen Modells ist zumeist die Darstellung des “Soll”, wie Dinge sein müssen oder sollen (präskriptives Modell), im Kontrast zum konkreten Prozess, der demonstriert, wie die Dinge tatsächlich sind. Konkret bedeutet dies, dass nach obiger Definition der Prozess das gewünschte Ergebnis liefern SOLL; die Realität zeigt, dass er das je nach seiner Qualität mit einer messbaren Wahrscheinlichkeit auch tut.
Ein Modell wird aber auch als Vorstellungshilfe gerne gesehen, die vor allem technisch geschulten Menschen ermöglicht, vorherzusehen (deskriptives Modell) oder zu verstehen (explanatorisches Modell), wie ein Prozess ablaufen wird.
Hierarchische Gliederungen von Prozessen sind sehr gebräuchlich und hilfreich, wie zum Beispiel
Abb. 1 Prozessmodelle - Ebenen
Zur Erläuterung: Auf allen Ebenen laufen Prozesse ab, die Hierarchie ergibt sich aus Reich- und Tragweite der Prozesse und deren Ergebnissen:
Auf der Meta-Ebene finden sich gesellschaftliche und globale Wirtschaftsprozesse. Der Einfluss eines einzelnen Unternehmens ist wichtig, aber begrenzt. Ziele und Methoden solcher Prozesse finden sich typisch in den Visions- und Missionsdokumenten der Unternehmen.
Auf der strategischen Ebene laufen fast alle Führungs- und Kontrollprozesse der Unternehmensleitung ab. Die Verantwortung für Prozesse und Ergebnisse liegt vollständig beim Unternehmen, Ziele und Methoden sind in strategischen Plänen und Unternehmenshandbüchern beschrieben.
Auf der taktischen Ebene laufen alle tagtäglichen Prozesse und Routinen eines Unternehmens, einschließlich der gesamten Wertschöpfungskette; dies ist die Durchführungsebene. Die Verantwortung liegt bei Managern und Mitarbeitern des Unternehmens, Ziele sind üblicherweise in Jahresplänen oder -vorgaben beschrieben, Methoden sind in Arbeitsvorschriften und Anweisungen dokumentiert.
Auf der Projektebene finden sich üblicherweise singuläre, sich nicht regelmäßig wiederholende Aufgaben. Deren Ziele werden im Einzelfall von Verantwortungsträgern formuliert, die Methoden sind zumeist erst zu entwickeln oder zu beschaffen.
Ein anderes, in der Literatur weitverbreitetes, Konzept ist die Einteilung von Prozessmodellen ist nach ihrer Ausrichtung auf
Aktivitäten,
Produkte,
Entscheidungen oder
Zusammenhänge.
Ein Modell nimmt allerdings eine Sonderstellung ein, begründet durch seine internationale Verbreitung und seine normative Bedeutung: Das Prozessmodell der ISO 9001:2008
Abb.2 Prozessmodell ISO 9001:2000
Abb. 3 Shewhart-Zyklus
Dieses Modell, das den Shewhart - Zyklus (P-D-C-A) der stetigen (und ständigen) Verbesserung aller Aktivitäten beinhaltet, verpflichtet alle Unternehmen und Organisationen, die nach (ggf. zertifizierter) Erfüllung der Norm-Forderungen streben, die dargestellten Unterprozesse zu dokumentieren, durchzuführen und laufend zu optimieren, und alle Prozesse zu betreiben, die dafür erforderlich scheinen.
Geschäftsprozessoptimierung (Business Process Reengineering)
Konzepte
Kontinuierliche Verbesserung (Continual improvement, Kaizen)
Die Methode der häufigen KLEINEN Verbesserungen, vorgeschlagen und durchgeführt von beliebigen Mitarbeitern des Unternehmens.
Prozesserneuerung (-umbau, -renovierung) (Business Process Reengineering)
Vollständige Neugestaltung einzelner Geschäftsprozesse oder ganzer Prozessketten mit dem Ziel erhöhter Effizienz und Zuverlässigkeit, häufig im Zusammenhang mit einem Paradigmenwechsel. Prozessglättung (lean business processes)
Standardisieren und harmonisieren der Abläufe, erreicht durch:
Räumliche Nähe
Optimierte Durchlaufzeiten
Beseitigung von Puffern und Lagern zwischen den einzelnen Prozessschritten
Optimierte (und reduzierte) Schnittstellen in den Abläufen.
Vorgehensweise
Typisch ist ein systematischer Ablauf in 4 Phasen:
Erfassung der Prozessstruktur -> Analyse der Ist-Struktur -> Festlegung der Optimierungspotenziale und Zielgrößen -> Durchführung bzw. Umsetzung der Maßnahmen.
Prozesskostenrechnung
Grundsatz
Die Prozesskostenrechnung ist ein Bestandteil der Kostenrechnung eines Unternehmens mit dem Ziel der verursachungsgerechten Aufschlüsselung und Zuordnung der Kosten der indirekten Leistungsbereiche (z. B. Beschaffung, Marketing, Vertrieb und Logistik). Sie ergänzt die traditionellen Kostenrechnungssysteme durch verbesserte Gemeinkostenverteilung. Es werden sowohl variable als auch fixe Kosten auf die Kostenträger verrechnet, der Verteilungsschlüssel basiert aber ausschließlich auf den variablen, prozessabhängigen, Kosten.
Dafür bedarf es
entweder eines Vergleichs der eigenen Prozesse mit anderen Prozessen (z. B. Benchmarking)
oder eines Instruments der Leistungsbeurteilung mittels Kennzahlen für Kosten und Leistung des Prozesses (z. B. Balanced Scorecard)
Bestimmung der Prozesse und deren Kosten
Die Kernprozesse (z. B. Beschaffung, Auftragsabwicklung, Qualitätssicherung) des Unternehmens werden identifiziert und von anderen Prozessen abgegrenzt. Dazu ist zumeist eine tief gehende Strukturierung in Teilprozesse erforderlich. Deren Einzelkosten summieren sich zum Kostensatz (die Kosten für einmaligen Durchlauf des Kernprozesses).
Damit wird für einen erheblichen Teil der Gemeinkosten eine verursachungsgerechte Zuordnung erreicht, welche die bisherige (z. B. prozentuale) Zuordnungen an Kostenträger ersetzt.
Kundenbeziehungen (Customer relationship management CRM)
Management von Kundenbeziehungen (Kundenpflege) ist ein Kernprozess jedes Unternehmens und beinhaltet Dokumentation und Verwaltung von Kundenbeziehungen, aber auch Gestaltungsoptionen und Verbesserungspotenziale. Diese Beziehungen sind im Allgemeinen langfristig ausgerichtet und erfordern daher erheblichen und kontinuierlichen Aufwand.
Hintergrund ist die Erfahrung, dass der Aufwand für den Erwerb eines Neukunden ein Vielfaches größer ist als der Aufwand, einen Bestandskunden zu erhalten. CRM unterstützt beide Aspekte mit umfangreichen Datensätzen über jeden Aspekt der Beziehung, sollte jedoch insbesondere die Risiken und negativen Aspekte gründlich analysieren und derartige Probleme gegebenenfalls lösen: Unzufriedenheit des Kunden, Beschwerden und Reklamationen, bessere Angebote von Wettbewerbern, abnehmende Umsätze, etc. Dies zeigt deutlich, dass Marketing, Verkauf und Service eng zusammenarbeiten müssen, um eine zuverlässige und ausbaufähige Kundenbasis zu erreichen und zu erhalten.
Lieferkettenmanagement (Supply Chain Management SCM)
Lieferkettenmanagement bezeichnet die Planung und das Management aller Aufgaben, die dazu dienen das richtige Produkt zur rechten Zeit am rechten Ort zu haben und den dafür erforderlichen Aufwand zu minimieren. SCM zielt auf Verbesserung von Effektivität und Effizienz wirtschaftlicher Wertschöpfungsketten ab und macht deutlich, dass Erfolg im Markt wesentlich von diesen abhängt. Eine solche Lieferkette beginnt spätestens beim Werkstor des Lieferanten und endet frühestens bei der Warenannahme des Kunden. Erfolgreiche Lieferketten sind zum Teil erheblich länger und beziehen die Domäne des Lieferanten und die Domäne des Kunden in eine partnerschaftliche Erfolgsstrategie mit ein.
Kritisch für den Erfolg einer Lieferkette ist in den meisten Fällen die Logistik, also die Frage, wie das richtige Produkt zur rechten Zeit an den rechten Ort gelangt und sich der Aufwand in erträglichen Grenzen hält.
Wertschöpfungskette (value chain management)
Das Konzept der Wertschöpfungskette ist das umfangreichste Konzept im Prozessmanagement und beinhaltet alle bisher diskutierten Konzepte.
Auf der Basis der Definition ALLER Aktivitäten im Unternehmen als entweder
Direkte Aktivitäten (diese sind unmittelbar an der Schaffung für den Kunden relevanter Werte beteiligt,
z. B. Konstruktion/Design, Montage/Produktion, Außendienst/Verkauf/Service, Werbung)
oder Indirekte Aktivitäten (diese ermöglichen die zuverlässige Ausführung von direkten Aktivitäten,
z. B. Instandhaltung, Produktionsplanung, Beschaffung)
oder Qualitätssicherung (diese stellt die Eignung und korrekte Ausführung der direkten und indirekten Aktivitäten sicher, z. B. Prozesssteuerung, Güteprüfung, Tests).
ergeben sich Hinweise auf Wettbewerbsvorteile bzw. Verbesserungspotenziale.
Indirekte und QS-Aktivitäten nicht – wie zumeist üblich – als Gemeinkosten zusammenzufassen, kann das üblicherweise überproportionale Wachstum dieses Kostenfaktors begrenzen und erlaubt zudem eine Optimierung dieser Tätigkeiten aus der Sicht der direkten Aktivitäten. Dies wird von Kunden als Mehrwert (value added) üblicherweise positiv bewertet.
Ersteinstellende Autoren
Rainer Haberl
Rainer Vieregge