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Solvenztest: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 3. März 2010, 22:14 Uhr

Zusammenfassung

Angestoßen durch die Diskussion über einen Reformbedarf des Europäischen Kapitalschutzsystems wird seit einiger Zeit auch in Deutschland der Solvenztest für kapitalmarktorientierte Konzerne als Alternative zu den auf dem HGB-Einzelabschluss basierenden Ausschüttungsbemessungsregeln diskutiert. Während die bestehenden Instrumente zur Ausschüttungsbemessung weitestgehend auf vergangenheitsbezogenen Daten basieren, werden erwartete Zahlungsströme und darauf aufbauende Liquiditätsprognosen (Plankapitalflussrechnung) bei Solvenztests herangezogen. So soll festgestellt werden, ob eine Ausschüttung zur Insolvenz des Unternehmens führen könnte oder nicht. Einige Vorschläge fordern zudem einen ergänzenden Bilanztest. In Bezug auf die konkreten Anforderungen an einen Solvenztest ist sich die Wissenschaft noch nicht einig. So ist die Einführung eines Solvenztests in Deutschland als Alternative zum Einzelabschluss derzeit nicht geplant.


Ziele und Gründe für die Einführung von Solvenztests

Solvenztest sind darauf abgestellt „ein ausreichendes Eigenkapital im Unternehmen zu binden“. Im Kern stellt sich die Frage, welche finanziellen Mittel zur Ausschüttung zur Verfügung stehen, ohne dabei das Fortbestehen des Unternehmens zu gefährden. Die gegenwärtige Diskussion in der Wissenschaft favorisiert als Alternative zu den bislang bilanzorientierten Höchstausschüttungsregelungen einen finanzplanorientierten Solvenztest zum Schutz der Gläubiger. Die Ausschüttungsbemessung in Deutschland ist zurzeit durch eine Mischung aus gesellschafts- und handelsrechtlichen Normen geregelt. Folgende Punkte werden dabei im Wesentlichen kritisiert: 1.Gläubiger wurden durch die bestehenden Regelungen nicht in effizienter Weise geschützt; 2.Für kapitalmarktorientierte Konzerne ergibt sich eine (kostenintensive) Abschlussvielfalt durch das Nebeneinander von IFRS, HGB und Steuerrecht; 3.Es bestehen keine einheitlichen Kapital- und Gläubigerschutzregelungen in der EU.


Inhaltliche Ausgestaltung von Solvenztests

Die konkrete inhaltliche Ausgestaltung von Solvenztests ist noch nicht abschließend geklärt. Es lassen sich jedoch zwei (sich ergänzende) Verfahren aufzeigen, die beide auf dem englischen Richterrecht basieren:


SolvenztestAbb1.JPG


Der Solvenztest ist grundsätzlich charakterisiert durch die Kombination von vergangenheits- und zukunftsorientierter sowie zahlungsstrom- und stichtagsorientierter Betrachtung. Größere Bedeutung für Erkenntnisse über die zukünftige Zahlungsfähigkeit wird dabei dem Liquiditätstest zugesprochen. Ein Solvenztest gilt h. M. nach als bestanden, wenn: - die bestehenden Verbindlichkeiten gedeckt und ggf. determinierte Liquiditätskennzahlen erfüllt werden (Finanzstatus), - der Finanzmittelfonds während des gesamten Betrachtungszeitraum positiv ist und die Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit durch ausreichende finanzielle Mittel gesichert ist (Finanzplan), - der aufkommende Kapitalbedarf durch bestehende Finanzierungsmöglichkeiten ausgeglichen ist und keine Risiken zu erkennen sind, die die unternehmerische Existenz in Gefahr bringen könnten (Kapitalbedarfs- und Risikoplanung).


Liquiditätstest (equity insolvency test)

Der Liquiditätstest steht im Fokus der aktuellen Debatte. Mit diesem soll sichergestellt werden, dass Ausschüttungen nur dann vorgenommen werden, wenn die Gesellschaft in einem bestimmten Zeitraum, nachdem eine Ausschüttung vorgenommen wurde, ihren fälligen Zahlungsverpflichtungen Rechnung tragen kann. Hierbei wird auf die Finanzplanung zurückgegriffen. So wird im Sinne des Prinzips der Unternehmensfortführung (going concern) die Liquidität des Unternehmens in der Zukunft gemessen. Die Ausgestaltung der prospektiven Finanzplanung kann sich z. B. am Aufbau der Kapitalflussrechnung gem. DRS 2 oder IAS 7 orientieren, d. h. die Cashflows sind der Investitions- und Finanzierungstätigkeit oder operativen Tätigkeit zuzuordnen.


Bilanztest (balance sheet test)

Beim Bilanztest liegen Bilanzdaten zu Grunde und es ist von einer Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens auszugehen, wenn die Summe der Verbindlichkeiten nicht mehr durch die Summe der Vermögenswerte gedeckt werden kann.


Reformvorschläge für das Kapitalschutzsystem und die Einführung des Solvenztests

Gemeinsames Leitbild aller Reformvorschläge ist das Ausschüttungsregime des amerikanischen Revised Model Business Corporation Act (RMBCA), der im Gesellschaftsrecht der meisten Bundesstaaten der USA umgesetzt worden ist. Die wesentlichen Unterschiede der entwickelten Reformvorschläge lassen sich wie folgt zusammenfassen:


HLG Rickford-Gruppe Ndl. Gruppe Kapital in Europa IDW
Mindestkapital Ja Nein Nein Ja Freiwilliges Festkapital
Maximaler Ausschüttungsbetrag Nettoaktivvermögen (abzgl. Liquiditätsmarge) Entsprechend Solvenztest Nettoaktivvermögen Nettoaktivvermögen abzgl. Ausschüttungssperre Nettoaktivvermögen abzgl. freiwilliges Festkapital
Rechnungslegungssystem Keine Angabe Keine Angabe HGB oder IFRS HGB oder IFRS HGB oder IFRS
Verpflichtungsgrad des Alternativsystems Mitgliedsstaatenwahlrecht Mitgliedsstaatenwahlrecht Unternehmenswahlrecht Unternehmenswahlrecht Keine Angabe
Bilanztest Vermögen höher als Schulden Nettoaktivvermögen größer/ gleich Null Nein Vermögen höher als Schulden Nettoaktivvermögen größer/ gleich Null Gemäß Art. 15 Abs. 1 lit. a und c KapRL Vermögen höher als Schulden zzgl. freiwilliges Festkapital Nettoaktivvermögen abzgl. freiwilliges Festkapital größer/ gleich Null
Solvenztest UV höher als kurzfristige Verbindlichkeiten (zzgl. Liquiditätsmarge) Zukünftige Cash Flows höher als fällige Verbindlichkeiten Zukünftige Cash Flows höher als fällige Verbindlichkeiten Ausreichend Cash Flows Keine existenziellen Risiken Zukünftige Cash Flows höher als fällige Verbindlichkeiten
Solvenzbescheinigung Ja Ja Ja Ja Keine Angaben
Haftung der Unternehmensleitung Ja Ja Ja Ja Keine Angaben


Offene Fragestellungen

Im Falle eines Systemwechsels ist zu klären, inwieweit die Liquiditätsplanung von den Unternehmen offen zu legen ist. Unklar ist zudem über welchen Zeitraum die Prognose anzufertigen ist. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass der mit dem Solvenztest angestrebte Gläubigerschutz auf Managementprognosen basiert. Demzufolge muss darüber entschieden werden, wie das Ergebnis des Solvenztests zu prüfen ist, welche Rolle hierbei der Abschlussprüfer übernehmen kann und wer bei unrechtmäßigem Handeln in welchem Maße haftet.


Kritik am Konzept des Solvenztests

Kernstück eines Solvenztests bildet die prospektive Finanzplanung. Diese prognostizierten bzw. geplanten Daten sind mit großer Unsicherheit behaftet. Zudem bieten sich für den Ersteller im Rahmen solcher Prognose- bzw. Planungsrechnungen erhebliche Einschätzungsspielräume. Ein solches Ausschüttungsbemessungssystem ist daher im Vergleich zur bilanziellen Kapitalerhaltung weniger objektiv.


Ausblick

Auch in Deutschland könnten finanzplanbasierte Solvenztests wegen der genannten Gründe das traditionelle System der Kapitalerhaltung (zumindest für kapitalmarktorientierte Konzerne) ersetzen. Damit könnte das Gläubigerschutzsystem in Zukunft aus zwei Teilen bestehen: neben die bilanzielle Kapitalerhaltung auf der Grundlage eines informationsorientierten IFRS-Abschlusses träte ein zukunfts- und liquiditätsorientierter Solvenztest. Für den Einzelabschluss wurde in der Vergangenheit eine Verknüpfung von IFRS und Solvenztest als Ausschüttungsbemessungsgrundlage abgelehnt, weil der Solvenztest nach Ansicht des Gesetzgebers noch nicht derart ausgereift ist, als das eine Verankerung in den deutschen handelsrechtlichen Vorschriften gerechtfertigt wäre. Gleichwohl kommt eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie zur Kapitalerhaltung zu dem Ergebnis, dass die IFRS mit Solvenztest grundsätzlich für Ausschüttungszwecke geeignet sind. Im Falle einer Einbettung in europäisches Recht müssen noch präzise Vorgaben für die Durchführung von Solvenztests formuliert werden, um Ermessens- und Handlungsspielräume auf ein geringeres Maß zu reduzieren.


Quellen

Pellens, B. / Sellhorn, T.: Zukunft des bilanziellen Kapitalschutzes, in: Lutter, M. (Hrsg.), Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (ZGR). Sonderheft 17, Berlin, 2006, S. 451-487. Böcking, H.-J. / Dutzi, A.: Gläubigerschutz durch IFRS-Rechungslegung im Jahresabschluss und ergänzende Solvenztests, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft (ZfB), Special Issue 6/2006: Rechnungslegung nach internationalen Grundsätzen, S. 1-23. Schürmann, J. / Krapf, J.: Solvenztest: Ausschüttungsbemessungsgrundlage und Glaübigerschutz. Berlin, Erich Schmidt Verlag, 2008. Rebele, T.: Solvenztests: Vergleich mit bilanzieller Kapitalerhaltung. Saarbrücken, VDM Verlag, 2007.


Autor

Dipl.-Kfm. Lars Haneberg Wissenschaftlicher Mitarbeiter Universität Oldenburg mailto: lars.haneberg@uni-oldenburg.de