Time-driven ABC: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 29. Dezember 2015, 19:50 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Time-driven Activity-based Costing (TD ABC) wird seit Mitte der 2000er Jahre als Weiterentwicklung der Prozesskostenrechnung bzw. des Activity Based Costing (ABC) diskutiert. TD ABC wurde von Kaplan und Anderson entwickelt (Kaplan/Anderson 2005), auch wenn sich erste Ansatzpunkte bereits in den Werken von Kaplan und Cooper zum ABC finden lassen (Kaplan/Cooper 1998, S. 131). Die Verbesserungsvorschläge des TD ABC lassen sich ebenso auf die Prozesskostenrechnung des deutschsprachigen Raums übertragen, welche im Folgenden im Fokus steht. Der Kerngedanke der Prozesskostenrechnung, Gemeinkosten auf Basis der Inanspruchnahme betrieblicher Prozesse zu verrechnen, bleibt unverändert. Die Ermittlung der Prozesskostensätze erfolgt nun jedoch zeitgetrieben („time-driven“), d.h. die benötigte Zeitdauer zur Durchführung eines Prozesses bestimmt die Höhe des entsprechenden Prozesskostensatzes.
Schwachstellen der Prozesskostenrechnung
Die Prozesskostenrechnung leistet wertvolle Dienste bei der Analyse, Optimierung und Verrechnung von Kosten in indirekten Bereichen sowie in Dienstleistungsunternehmen. Die Prozesskostenrechnung weist allerdings auch einige Problemfelder auf:
- Die Prozesskostenrechnung benötigt repetitive und homogene Prozesse. Falls heterogene Prozesse vorliegen, kann die Prozesskostenrechnung damit auf zweierlei Arten umgehen. Einerseits kann sie diese Heterogenität ignorieren und einen einheitlichen Prozess definieren. Der Prozesskostensatz bildet den angefallenen Ressourcenverzehr dann allerdings nur im Durchschnitt korrekt ab, bei einer einzelnen konkreten Prozessdurchführung höchstens zufällig. Andererseits kann sie durch horizontale Prozessdifferenzierung mehrere Prozesse für unterschiedlich aufwändige Prozessdurchführungen definieren. Hierdurch steigt die Komplexität des Prozessmodells jedoch sehr schnell stark an.
- Die Aufteilung der Kosten einer Kostenstelle auf die darin ablaufenden Teilprozesse folgt zumeist der prozentualen Aufteilung der Arbeitszeit der Mitarbeiter dieser Kostenstelle auf die Teilprozesse. Diese Vorgehensweise ist subjektiv und pauschal und daher ungenau.
- Bei jeder wesentlichen Veränderung im Prozessmodell müsste die Prozesskostenrechnung aktualisiert werden. Da dieser Aufwand gescheut wird, verwenden Organisationen häufig veraltete Prozesskosteninformationen.
- Da die Arbeitszeit der Mitarbeiter zumeist vollständig auf die Teilprozesse verteilt wird, fließen auch etwaige Leerkosten einer Kostenstelle in die Prozesskostensätze ein. Die Prozesskostensätze schwanken somit mit dem Beschäftigungsgrad der Kostenstelle.
Methodik des Time-driven Activity-based Costing
Der Ansatz des Time-driven Activity-based Costing soll die o.g. Schwachstellen der Prozesskostenrechnung beseitigen oder zumindest reduzieren. Die Strukturierung des Prozessmodells in Geschäfts-, Haupt- und Teilprozesse sowie Aktivitäten wird dabei ebenso beibehalten wie die Differenzierung in leistungsmengeninduzierte (lmi) und leistungsmengenneutrale (lmn) Prozesse. Da ein Prozess einen definierten Startzeit- wie auch Endzeitpunkt hat, kann die dazwischen liegende Prozesslaufzeit gemessen werden. Diese Prozesslaufzeit ist zumeist nicht nur vom zentralen Kostentreiber (Cost Driver) abhängig, sondern auch von einer Vielzahl weiterer Prozessparameter. So wird bspw. die Dauer eines Bestellvorgangs nicht ausschließlich durch die Anzahl der Bestellpositionen beeinflusst, sondern auch davon, ob der Lieferant im In- oder Ausland ansässig ist, mit welchem Medium die Bestellung erfolgt (Fax, EDI,) usw. Beim TD ABC wird nun angestrebt, alle wesentlichen Prozessparameter, welche die Prozesslaufzeit beeinflussen, in einer sog. Zeitverbrauchsfunktion abzubilden. Diese könnte z.B. so aussehen:
Y = a * X1 + b * X2 - c * X3
Die abhängige Variable ‚Y’ steht hierbei für die zu ermittelnde Prozesslaufzeit. Jede Bestellposition ist zunächst mit einer bestimmten Dauer verbunden, d.h. die unabhängige Variable ‚X1’ steht für die ganzzahlige Menge der Bestellpositionen und ‚a’ für eine bestimmte Minutenzahl pro Bestellposition. Falls der Lieferant im Ausland sitzt, so wird die binäre Variable X2 = 1 gesetzt und zur Prozesslaufzeit wird eine bestimmte Minutenzahl ‚b’ addiert. Im umgekehrten Fall eines inländischen Lieferanten wird keine zusätzliche Zeit benötigt, so dass X2 = 0 gesetzt wird. Eine Bestellung per EDI (X3 = 1) geht schneller als eine Bestellung per Fax (X3 = 0), so dass hier von der Prozesslaufzeit eine bestimmte Minutenzahl ‚c’ abgezogen wird. Werden die Ausprägungen der einzelnen Prozessparameter (hier X1, X2 und X3) im Idealfall automatisiert erhoben, so kann für jede einzelne Prozessdurchführung eine Prozesslaufzeit als Sollvorgabe ermittelt werden. Die in einer Zeitverbrauchsfunktion in beliebiger Anzahl modellierbaren Parameter können auch miteinander kombiniert werden (z.B. + d * X3 * X4).
Um den Prozesskostensatz der Prozessdurchführung berechnen zu können, müssen nun noch die Kosten pro Zeiteinheit bekannt sein. Ein solcher Zeitkostensatz ergibt sich, indem die Gesamtkosten der Kostenstelle durch die in dieser Kostenstelle maximal verfügbare Produktivzeit geteilt werden. Der Prozesskostensatz ergibt sich dann aus der Multiplikation von Prozesslaufzeit und Zeitkostensatz.
Vorteile des Time-driven Activity-based Costing
Der Ansatz des Time-driven Activity-based Costing weist gegenüber der Prozesskostenrechnung somit folgende Vorteile auf:
- Der Widerspruch zwischen genauen Prozesskostensätzen und einfachem Prozessmodell kann durch die Zeitverbrauchsfunktionen gelöst werden, da hiermit Prozessvarianten zusammengefasst werden, ohne sie gleichzeitig einheitlich zu behandeln.
- Die zeitbasierte Bestimmung der Prozesskostensätze ist transparent und - bei adäquater Modellierung der Zeitverbrauchsfunktion - genau.
- Eine Änderung im Prozessmodell kann jederzeit und ohne großen Aufwand in den Zeitverbrauchsfunktionen berücksichtigt werden.
- Da die Berechnung der Prozesskostensätze an der Sollzeit der Prozessdurchführung ansetzt, enthalten diese keine Leerkosten. Am Periodenende ist durch Aggregation der Sollzeiten sämtlicher durchgeführter Prozesse für jede Kostenstelle ersichtlich, in welcher Höhe Leerkapazitäten und damit -kosten auftraten. Die Beschäftigungssituation der Kostenstelle hat keinen Einfluss auf die Höhe der Prozesskostensätze.
Literaturtipps
- Baltzer, B./Zirkler, B.: Time-driven Activity-based Costing - Entwicklung, Methodik, Anwendungsfelder, Saarbrücken 2007
- Bruggeman, W./Moreels, C.: Activity-Based Costing in Complex and Dynamic Environments - The Emergence of Time-driven ABC, in: Controlling, 16. Jg. (2004), H. 11, S. 597-602
- Coners, A./von der Hardt, G.: Time-Driven Activity-Based Costing: Motivation und Anwendungsperspektiven. In: Zeitschrift für Controlling & Management, 48. Jg. (2004), H. 2, S. 108-118
- Grob, H. L./Bensberg, F./Coners, A.: Analytisches Time-driven Activity-Based Costing, in: Controlling, 16. Jg. (2004), H. 11, S. 603-611
- Kaplan, R. S./Cooper, R.: Cost & Effect - Using Integrated Cost Systems to Drive Profitability and Performance, Boston 1998
- Kaplan, R. S./Anderson, S. R.: Schneller und besser kalkulieren, in: Harvard Business Manager, 27. Jg. (2005), H. 5, S. 86-98
- Kaplan, R. S./Anderson, S. R.: Time-driven Activity-based Costing – A Simpler and More Powerful Path to Higher Profits, Boston 2007
Ersteinstellender Autor
Björn Baltzer