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Prozessmodell: Unterschied zwischen den Versionen

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Prof. Dr. Klaus Möller
 
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Dr. Tobias Flinspach
  
 
Kontaktadresse: '''Klaus.Moeller@unisg.ch'''
 
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Version vom 5. Juni 2012, 09:17 Uhr

Zusammenfassung

Prozessmodelle bilden Geschäftsprozesse zweckorientiert und vereinfachend ab. Ziel von Prozessmodellen ist die Dokumentation, Analyse, Gestaltung und Kommunikation von Geschäftsprozessen. Prozessmodelle können in Soll-, Ist- und Referenzprozessmodelle unterschieden werden und liefern die Grundlage für die Anwendungssystem- und Organisationsgestaltung.

Begriffliche Grundlagen und Aufbau von Prozessmodellen

Die Hauptaufgabe von Modellen ist die Verringerung der Komplexität von Systemen. Darüber hinaus erfüllen Modelle eine Erklärungs- und Gestaltungsaufgabe. Nach der weitverbreiteten Modelltheorie von STACHOWIAK besteht ein Modell aus drei Merkmalen. Demnach hat ein Modell die Aufgabe ein komplexes System repräsentativ abzubilden, die einfließenden Informationen zu selektieren und den Grundgedanken des Pragmatismus zu beinhalten.

Ein Prozess ist eine strukturierte Abfolge von Aktivitäten, um von Kunden erwartete spezifische Leistungen zu erzeugen. Nach dieser Definition hat ein Prozess einen definierten Start und ein definiertes Ende. Ein Prozess verfolgt ein oder mehrere Ziele und es existieren messbare Inputs und messbare Outputs, die sowohl materieller (z.B. Material oder Energie) als auch immaterieller (z.B. Informationen) Art sein können. Zur Erzeugung der Ergebnisse werden Ressourcen eingesetzt (z.B. menschliche Arbeit).

Ein auf den betriebswirtschaftlichen Kontext bezogener Prozess wird als Geschäftsprozess definiert, wenn dieser grundlegende Geschäftsfelder eines Unternehmens abbildet und zur Erfüllung ihrer Ziele beiträgt. Geschäftsprozesse besitzen eine horizontale und eine vertikale Struktur. Die horizontale Dimension hebt einzelne Prozesse aus der Kette von Prozessen hervor, determiniert dessen Schnittstellen und damit ein gesamtes Prozesssystem. Eine Prozessarchitektur entsteht durch die vertikale Aufspaltung der Geschäftsprozesse. Die Geschäftsprozesse bestehen aus mehreren Haupt- und darunter liegenden Teilprozessen. Ein Hauptprozess ist in der Regel funktionsübergreifend und besteht aus mehreren Teilprozessen. Die Teilprozesse bestehen aus einer Kette homogener Aktivitäten in die sie wiederum über Dekomposition zerlegt werden können.

Analog zum allgemeinen Begriff des Modells können Prozessmodelle als zweckorientierte, vereinfachte Abbildungen von Geschäftsprozessen aufgefasst werden. Ihre Struktur stellt die zeitlich-sachlogische Abfolge der betrachteten Funktionen dar. Allgemein formuliert, stellen die Prozessmodelle die hierarchischen Strukturen und Beziehungen der Prozesse eines Systems dar. Auf Grund ihrer umfassenden Modellcharakteristik dienen Prozessmodelle der Dokumentation, Analyse und Gestaltung von Geschäftsprozessen sowie zur Unterstützung der Kommunikation über Geschäftsprozesse. Somit handelt es sich bei Prozessmodellen um eine spezielle Klasse von Modellen, die anhand der spezifischen Ausprägung von Modellmerkmalen abgegrenzt werden können. Die Eigenschaften von Prozessmodellen werden nachfolgend vorgestellt.

- Prozessmodelle stellen die Prozessstruktur einer Organisation in der Regel grafisch dar (Abbildungsmerkmal). Dabei werden reale Prozesse durch grafische Symbole oder in Textform abgebildet.

- Prozessmodelle enthalten nur die wichtigsten, aus dem Verwendungszweck des Modells abgeleiteten Elemente und Beziehungen der Prozesstypen (Verkürzungsmerkmal).

- Die Abbildung von Prozesstypen erfolgt stets zu einem bestimmten Zweck und ist daher zeitlich begrenzt (pragmatisches Merkmal).

Aus dem Verkürzungsmerkmal und dem pragmatischen Merkmal lässt sich ableiten, dass über die Komponenten und den Detaillierungsgrad von Prozessmodellen, wie bei dem allgemeinen Modellbegriff, stets nur zweckbezogen entschieden werden kann.

Nutzen von Prozessmodellen

Die Verwendungszwecke von Prozessmodellen können in die der Anwendungssystemgestaltung sowie der Organisationsgestaltung untergliedert werden. Abbildung 1 zeigt einen Überblick über die verschiedenen Verwendungszwecke von Prozessmodellen.


Verwendungszwecke von Prozessmodellen.JPG

Abbildung 1: Verwendungszwecke von Prozessmodellen


Im Rahmen der Anwendungssystemgestaltung dienen Prozessmodelle der Auswahl und Konfiguration von Software. Die Enterprise Ressource Planning-Software (ERP) von Anbietern wie SAP, Oracle oder PeopleSoft ist eine konfigurierbare Standardsoftware, die betriebswirtschaftliche Lösungen für die Kern- und Supportprozesse einer Unternehmung anbietet. Die Funktionalität ist oft in Form von Referenzprozessmodellen dokumentiert und erlaubt somit bei der Auswahl einer passenden Software einen Abgleich der unternehmenseigenen Prozessmodelle mit den softwarespezifischen Modellen. Der Grad der Übereinstimmung beider Modelle hat Aussagekraft über die Eignung zum Einsatz im Unternehmen.

Das Workflowmanagement bezeichnet ein operatives Konzept zur Umsetzung der von der strategischen Unternehmensplanung vorgegebenen Geschäftsprozessziele. In diesem Zusammenhang beinhaltet das Workflowmanagement Methoden und Werkzeuge zur computergestützten Analyse, Planung, Simulation, Steuerung und Überwachung von Arbeitsabläufen. Prozessmodelle bilden hierbei die Grundlage für die Erstellung von Workflowmodellen. Der Zweck der Simulationen ist die Durchführung von Experimenten an einem Modell. Diese Experimente können meist aus Kosten-, Komplexitäts- oder anderen Gründen nicht am realen System durchgeführt werden. Simulationen unterstützen vorrangig die Identifikation von Schwachstellen, die sich bei einer reinen Modellbetrachtung nicht offenbaren würden (z.B. Ressourcenknappheit oder Durchlaufzeitenstreuung). Darüber hinaus kann die Simulation von Prozessmodellen zur Ermittlung des Personalbedarfs in Abhängigkeit von verschiedenen Szenarien beitragen.

Betrachtet man die Prozessmodelle aus der Perspektive der Organisationsgestaltung, so ergeben sich Einsatzzwecke wie Organisationsdokumentation, prozessorientierte Organisationsverbesserung, Zertifizierung des Qualitätsmanagement, Wissensmanagement, Prozesskostenrechnung und Prozessbenchmarking. Hauptzweck der Organisationsdokumentation ist die Erhöhung der Transparenz und die damit einhergehende Erhöhung der Effizienz bei der Kommunikation zwischen den einzelnen Organisationsmitgliedern und bei den Mitarbeiterschulungen bzw. -einarbeitungen.

Im Rahmen der prozessorientierten Organisationsverbesserung werden mithilfe von Prozessmodellen bestehende Schwachstellen identifiziert. Sie erlauben einen automatisierten Vergleich von Ist-, Soll- sowie von Referenzmodellen, um die Prozesse dauerhaft bestmöglich zu steuern. Die erfolgreiche Zertifizierung nach der ISO-Norm DIN ISO 9000ff wird hauptsächlich auf eine qualitativ hochwertige Dokumentation zurückgeführt. Hier dienen Prozessmodelle zur strukturierten Dokumentation.

Wissensmanagement verfolgt das Ziel, die Transparenz über die Unternehmensressource Wissen zu erhöhen, um auf dieser Basis die Prozesse des Identifizierens, Akquirierens, Nutzens, Weiterentwickelns und Verteilens von Wissen zu verbessern. Im Sinne der Prozesskostenrechnung dienen Prozessmodelle der vereinfachten Abbildung komplexer Prozessabläufe. Auf dieser Basis können die Prozesskosten vor allem in indirekten Bereichen den Kostenverursachern zugerechnet werden. Die übersichtliche Abbildung der Prozesse führt zu einer hohen Transparenz und kann somit als Voraussetzung für die Durchführung der Prozesskostenrechnung angesehen werden. Für das Prozessbenchmarking dienen Prozessmodelle zur Schaffung von Transparenz. Basierend auf dem Prozessmodell werden die Daten der Benchmarking Partner erhoben. Hierfür muss das Prozessmodell relevante quantitative Größen definieren.

Arten von Prozessmodellen und Methoden der Prozessmodellierung

Grundsätzlich können Prozessmodelle in Ist- und Soll-Modelle unterteilt werden. Bei einem Ist-Modell handelt es sich um eine vereinfachte Darstellung der gegenwärtigen Strukturen und Prozesse. Sie werden eingesetzt, um den Reorganisationsgegenstand zu konkretisieren, Schwachstellen und Schnittstellen zu visualisieren sowie eine wertmäßige Prozessbetrachtung durchführen zu können. Es handelt sich folglich um ein Beschreibungsmodell. Ein Soll-Modell hingegen stellt den gewünschten kurz- bis mittelfristigen zukünftigen Zustand dar. Den Unterschied zwischen Ist-Modellen und Soll-Modellen kennzeichnet der Handlungsbedarf der Verantwortlichen.

Ein Referenzmodell ist ein spezielles Soll-Modell mit Empfehlungscharakter, welches nach den „Best Practices“ der jeweiligen Branche bzw. den jeweiligen Unternehmensfunktionen zusammengetragen wird. Die Anwendung von Referenzmodellen liegt in der Analyse und Verbesserung einer bestehenden Situation, wobei das Ist-Modell mit dem Referenzmodell abgeglichen wird. Zum können Referenzmodelle genutzt werden, um ausgehend von einem State-of-the-Art zu einer Beschreibung des eigenen Prozessmodells zu gelangen und sie eignen sich um eine transparente Basis im Rahmen eines Prozessbenchmarking zu schaffen. Mittlerweile ist eine Anzahl unterschiedlicher Referenzprozessmodellen in der Praxis vorzufinden. Überwiegend sind es branchenspezifische oder funktionsspezifische Modelle, wie z.B. das von der Supply Chain Council (SCC) im Jahre 1996 entwickelte Supply Chain Operation Reference-Modell (SCOR), zum Informationsaustausch zwischen Unternehmen in einer Supply Chain. Im IT-Bereich ist das Information Technology Infrastructure Library (ITIL) ein weit verbreitetes Referenzprozessmodell, welches IT-Prozesse abbildet. Da das SCOR-Modell bereits einen sehr hohen Bekanntheitsgrad erlangt hat, wird es nachfolgend in Kürze vorgestellt.

Das SCOR-Modell wurde mit dem Ziel der Beschreibung aller unternehmensinternen und unternehmensübergreifenden Prozesse, die mit der Erfüllung der Endkundennachfrage auf Basis des Supply Chain Managements in Zusammenhang stehen entwickelt. Das SCOR-Modell basiert auf den fünf wesentlichen Supply-Chain-Management-Prozessen (Planung, Beschaffung, Herstellung, Lieferung und Rückgabe) und verknüpft sie mit bekannten Konzepten wie Business Process Reengineering (BPR), Benchmarking und Best-Practice-Analyse. Abbildung 2 zeigt den Grundaufbau und die vier Ebenen des SCOR-Modells.


Die Hierarchieebenen des SCOR Modells.JPG

Abb.2: Die Hierarchieebenen des SCOR Modells


Hauptziel des SCOR-Modells ist die Erleichterung der Zusammenarbeit von Unternehmen in einer Supply Chain. Dabei sind die drei oberen Ebenen (Top-Level-Prozesse, Prozesskategorien und Prozesselemente) näher spezifiziert und die vierte Ebene (Detaillieren der Prozessebene) ist unternehmensspezifisch zu gestalten. Um die Leistungsmessung der einzelnen Prozesse einheitlich zu gestalten, hält das SCOR-Modell vordefinierte In- und Outputfaktoren, Leistungskennzahlen sowie Best-Practices bereit.

Zur Sicherstellung der Qualität von Modellen und zur Reduktion von subjektiven Elementen wurden in Anlehnung an die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung die Grundsätze ordnungsmäßiger Modellierung entwickelt. Zur Modellierung von Prozessen gibt es eine Vielzahl an Methoden. Diese lassen sich in Skriptsprachen und Diagrammsprachen unterteilen. Skriptsprachen erlauben die Beschreibung von Prozessmodellen mit einer an Programmiersprachen angelehnten Notation. Die Anschaulichkeit des Modells ist jedoch aufgrund des durch diese Methode bedingten hohen Detaillierungsgrades gering. Beispiele für häufig genutzte Diagrammsprachen in Deutschland sind Ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK) sowie die Business Process Model and Notation (BPMN, siehe auch das BPMN-Poster als Referenz).

Modellierungswerkzeuge stellen eine Hilfe bei der Erstellung und Verwaltung von Prozessmodellen dar. Die Verwendung der Modellierungssoftware hat neben der beschleunigten Modellerstellung den Vorteil der verbesserten Übersichtlichkeit und Qualität der Modelle. Änderungen können schnell eingearbeitet werden. Durch Schnittstellen zu Softwaresystemen oder Prozesskostenrechnungssystemen kann die Integrität der bei der IT-technischen Umsetzung erhöht werden. Der Einsatz von Modellierungswerkzeugen bei der Erstellung von Prozessmodellen findet in der Praxis eine weite Verbreitung.

Quellen

Gaitanides, M. (2007), Prozessorganisation: Entwicklung, Ansätze und Programme des Managements von Geschäftsprozessen, 2. Aufl., München 2007

Mertins, K., Jochem, R., König W., (Hrsg., 1995), Unternehmensmodellierung - Basis für Reengineering und Optimierung von Geschäftsprozessen, Heidelberg 1995

Schütte, R. (1998), Grundsätze ordnungsmäßiger Referenzmodellierung: Konstruktion konfigurations- und anpassungsorientierter Modelle, Münster 1998

Supply-Chain-Council (2008), SCOR Overview Booklet, Auf der Seite der Supply-Chain-Council, www.supply-chain.org/galleries/public-gallery/SCOR%209.0%20Overview%20Booklet.pdf, Zugriff am 13.03.2009


Autoren

Prof. Dr. Klaus Möller Dr. Tobias Flinspach

Kontaktadresse: Klaus.Moeller@unisg.ch

Homepage: [1] - www.aca.unisg.ch[