Psycho-Logik im Controlling: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 30. Dezember 2015, 19:30 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Psycho-Logik im Controlling
Controller sind logische Leute. Folglich sind sie der Meinung, dass es völlig genügen müsste, wenn ein Sachverhalt nach betriebswirtschaftlicher Logik ausreichend dargestellt ist. Das reicht indessen nicht. Um jemanden zu überzeugen, genügt nicht bloß die Einsicht im Kopf. Überzeugt sein muss der andere nach dem Bild der Abbildung 1 sozusagen auch unter dem Tisch.
Abb. 1: Psycho-Logik und Logik unter und auf dem Tisch
Eigentlich finden zwei Gespräche statt. Das eine hört man. Das sind die Dinge, die einer sagt. Aber was er sagt, ist nicht immer auch das, was er meint. Es findet noch ein zweites Gespräch statt – sozusagen unter dem Tisch. Das eine ist logisch; das andere psycho-logisch. Erwin Küchle spricht hier von einem Quadrilog. Dieses zweite Gespräch hört man nicht, man muss es fühlen –social sensitivity.
Wenn man als Controller hängen bleibt und nicht überzeugend weiterkommt, so liegt es in der Regel daran, dass logisch-absenderorientiert die Emotionen unter dem Tisch übersehen werden.
Der Controller sagt zum Beispiel: Sie müssen jetzt planen. Der Verkaufsleiter erwidert, dass man
- gar nicht planen könne, weil sich immer soviel ändert;
- bei 10 000Artikeln eine genaue Planung nicht möglich sei;
- im Verkauf für die Planung keine Zeit habe, sondern verkaufen müsse.
Versucht der Controller, ein Argument nach dem anderen logisch zu widerlegen – durch die Erwartungsrechnung, die mit Änderungen gegenüber dem Geplanten von vornherein rechnet; durch die ABC-Analyse; durch die Marktforschung usw. – so wundert er sich nach einiger Zeit, warum die Geschichte nicht weitergeht. Meist rettet er sich dann in den Autoritätsbeweis: Die Geschäftsleitung hat angeordnet, dass ... Damit wird der Deckel auf dem kochenden Topf erst noch richtig zugeschraubt.
Was der Verkaufsleiter meint, ist wahrscheinlich, dass er nicht gerne festgelegt sein will. Soll er in Zahlen planen, gibt es nachher nicht mehr wegzudiskutierende Abweichungen und einen Controller, der sich darüber hermacht, diese Abweichungen zu analysieren.
Im Grunde genommen gefährdet das Controller-Handwerk die Sicherheit des Partners. Er soll im Soll-Ist-Vergleich gerade stehen. Also rettet man sich gerne in Sphären, die auch mit beyond budgeting bezeichnet werden. Da gibt es keine so nachvollziehbaren Verpflichtungen.
Deshalb ist es für den Erfolg bei Planung und Budgetierung, beim Controlling und bei der Führung durch Ziele so wichtig, dass nicht nur Formulare und Ablaufrichtlinien aufgestellt werden, sondern auch Spielregeln definiert und ausdrücklich bekannt gemacht und anerkannt sind.
Hauptregel: Keine Sorge; man darf sich irren. Don’t worry – be happy. Abweichungen gibt es eben; machen wir was draus. Grüß Gott, Abweichung, das bist du ja. Durch die ständige Präsenz des Inhalts dieser Spielregeln sollte es möglich sein, die Überzeugung auch unter dem Tisch zu erreichen, ohne dass im Einzelfall stets davon geredet werden muss. Dazu kommt das Geschick des Controllers, im einzelnen Gespräch sich empfängerorientiert auf den Partner einzustellen. Manchmal hilft es auch weiter, wenn ein Mann/eine Frau mit Controller-Funktion für sich definiert, dass er/sie eine Rolle spielt – wie bei einem Rollenspiel im Seminar. Über diese Eselsbrücke gelingt es manchmal besser, die Diskussion auf dem Tisch zu halten.
Im übrigen sei betont: Das Bild der Abbildung 1 gilt sinngemäß, wenn man die Person des Controllers austauscht mit der Person eines Vorgesetzten und die des Verkaufsleiters mit der eines Mitarbeiters dieses Vorgesetzten. Das Bild des Quadrilogs gilt für die Führungsaufgabe im Management generell und ist auch zuhause anzutreffen. Wie war es heute in der Schule? Darauf kommt eigentlich nie eine sinnvolle Aussage von Kindern. Gehst du morgen wieder hin? Das ist zu fragen durch die Führungskraft Eltern. Und was ist es, das hindert, dies auch gerne zu tun?
Ein Gespräch führen
Die Sprache sagt das auch schon. Ein Gespräch betrifft ein Sachthema – z.B. im Vergleich von Plan und Ist oder eine sich schon abzeichnende Abweichung. Dazu kommt das Führen. Diese Ausdrucksweise teilt mit, dass Führen eine zweite Aufgabenstellung ist, die sich durch Kenntnis der Sachlage nicht schon von selber erledigt. Das ist in Abb. 2 mit Denk- und Sprechblase gemeint. Das analytische Denken mit der Frage, warum sich der Sache nach etwas ereignet hat, besitzt Priorität in der Gesprächsvorbereitung. Diagnosen kommen in der sach-logischen Reihenfolge vor der Therapie.
Im persönlichen Führen motiviert es aber mehr, nicht soviel warum zu fragen. Das kann man auf dem Tisch so ehrlich machen, wie immer man will.
Abb. 2: Frageverhalten des Controllers bei Abweichungen
Durch das, was unter dem Tisch ist, kommt der Gesprächspartner in das Gefühl, er müsse Rede und Antwort stehen. Das erzeugt Kontrolliert sein und nicht Hilfe zur Selbsthilfe im Controlling-Sinn. Also therapeutisch fragen in der Art, wie es jetzt weitergeht. Sind die Ziele erreichbar?
Wie viele Maßnahmen und Kosten noch nötig? Therapeutisch fragen, diagnostisch denken. Kommt auf das Therapie erzeugende Fragen keine klare Lösung, lässt sich die Reihenfolge wieder umdrehen. Wenn dann Schutzbehauptungen und Rechtfertigungen kommen, muss man in Controller-Verhaltenskenntnis wissen, dass dies so geschehen muss – von dem her eben, was unter dem Tisch liegt. Das ist Selbstwertgefühl, Sicherheitsgefühl; Nicht-das-Gesicht-verlieren-müssen-Wunsch.
Beyond Budgeting
Dieser Fragestil, wie es weitergeht, lässt sich auch fördern, wenn man auf das sogenannte phased budget verzichtet, also auf das Saisonalisieren des Jahresbudgets in die Monate. Dann gibt es immer die aufgelaufene Abweichung im year to date, die zum analytischen Rückwärtsfragen veranlasst. Also Fragen zu bringen in der Art: erklären Sie mal, wieso es im 1. Quartal anders gekommen ist als geplant. Dann ist doch sogleich auch das Gefühl ausgelöst, dass man am besten gar nicht hätte budgetieren sollen.
Also ließe sich doch nur eine Jahres-Zielvereinbarung treffen, der gegenüber das kumulierte Ist dargestellt wird. Die Abweichung besteht dann zwischen dem Ist, aufgelaufen bis heute, und dem am Jahresende zu erreichenden Ziel. Dann kann man immer nur sinnvoll fragen, ob das Ziel nach jetziger Einschätzung wohl noch erreicht werden wird. Daraus ergäbe sich der zu erwartende Zielerreichungsgrad als das Voraussichtliche Ist. Dorthin gehört auch die Ampel im Signalsystem des Controllerberichtswesens. Dann bestehen noch Chancen, etwas zu unternehmen bis Ende Jahr.
Quelle
Controller Handbuch, 6. Auflage neu geschrieben, Verlag für ControllingWissen AG, Offenburg, 2008
Ersteinstellende Autoren
Albrecht Deyhle, Controller Akademie
Gerhard Radinger, Controller Akademie