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Organisationale Resilienz: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 2. November 2021, 15:47 Uhr

Zusammenfassung

Das Überleben von Unternehmen wird immer wieder durch Krisen in Frage gestellt. Hierbei gelingt es einigen Unternehmen deutlich besser als anderen, diese Krisen zu überstehen. Mit organisationaler Resilienz passen sie sich und ihr Geschäftsmodell der verändernden Umgebung an. Mit speziellen Maßnahmen und Konzepten sowie der Vermeidung resilienzreduzierender Entscheidungen kann ein Aufbau der organisationalen Resilienz (Widerstandsfähigkeit bzw. Robustheit) gefördert und im Unternehmen verankert werden. In existenzkritischen Situationen ist es für das Überleben des Unternehmens wichtig, dass die Führungskräfte auch die rechtlichen Wege aus einer Krise kennen und beurteilen können.

Was versteht man unter organisationaler Resilienz?

Organisationale Resilienz ist die Fähigkeit einer Organisation, eine verändernde Umgebung aufzufangen und sich daran anzupassen (Originaldefinition in ISO22316). Diese Fähigkeit ist für das Überleben von Unternehmen von hoher Bedeutung. Resilienz bezieht sich ursprünglich auf die Widerstandsfähigkeit bzw. Robustheit einzelner Menschen, um in Problemsituationen psychisch stabil zu sein und aus Krisensituationen schnell und gut wieder herauszukommen. Bei der organisationalen Resilienz wird die Fähigkeit auf Organisationen, im wirtschaftlichen Bereich auf Unternehmen übertragen. Über das Unternehmen hinausgedacht, gibt es auch so etwas wie eine kollektive Resilienz, z.B. die Resilienz einer Lieferkette.

Warum benötigen Unternehmen eine organisationale Resilienz?

In einer VUCA-Welt voller „Volatilität“ (volatility), „Unsicherheit“ (uncertainty), „Komplexität“ (complexity) und „Mehrdeutigkeit“ (ambiguity) müssen sich Unternehmen mit ihrem Geschäftsmodell immer wieder an die Umwelt anpassen und hierbei frühzeitig auf größtenteils kaum wahrnehmbaren Veränderungen reagieren. Geschieht dies nicht in ausreichendem Maße, gerät das Unternehmen in eine Krise. Das Institut der Wirtschaftsprüfer beschreibt in seiner Richtlinie zur Erstellung von Sanierungsgutachten (IDW S6) fünf Krisenstadien eines Unternehmens bis zur Insol-venz, die mit einem steigenden Bedrohungsgrad und sinkendem Handlungsspielraum einhergehen.

Krisenstadien nach IDW S6.png

Abbildung 1: Krisenstadien nach IDW S6

Diese Stadien durchläuft eine Organisation typischerweise in einer Krise, je nach Art der Krise und Aufstellung der Organisation kann das sehr schnell oder langsamer, schleichend erfolgen. Eine Krise stellt eine Bedrohung für die Weiterexistenz der Organisation dar. Es gibt unternehmens-, branchenweite, regionale, überregionale und globale Krisen. Die Krise ist ungewollt und existenziell bedrohlich und somit auch weder begrüßens- noch erstrebenswert. Und auch das Überstehen einer Krise birgt viele Nachteile und erzeugt Schäden für viele Menschen in und außerhalb der Organisation.

Wie äußert sich die organisationale Resilienz?

Im Wesentlichen äußert sich organisationale Resilienz in einer Krise derart, dass sie einen schnelleren und einen besseren Umgang mit der Krise ermöglicht. Schnellere Reaktion bedeutet:

  • schneller erkennen und eingestehen, dass eine Krise besteht (Schockstarre vermeiden)
  • schnell in den Krisenmodus umschalten und mit dem Krisenmanagement und Business Continuity Management beginnen
  • schnell beginnen, Strategien für einen nachhaltigen Umgang mit der Krise zu entwickeln

Bessere Reaktion bedeutet:

  • aufeinander achten, mit Ängsten von Individuen umgehen, um die kollektive Handlungsfähigkeit aufrechterhalten
  • ein Klima (bewahren oder) herstellen, das Veränderung (Change), kollektive Kreativität und Innovation ermöglicht
  • Prozesse, Methoden und Kompetenzen anlegen, die effektives, effizientes und friktionsarmes Veränderungsmanagement in der Krise ermöglichen (das muss auch mögliche radikale Veränderungen umfassen)
  • Chancen erkennen und ergreifen

Organisationale Resilienz zeigt sich also in der Fähigkeit einer Organisation, eine Krise als solche zu erkennen und schnell geeignete Bewältigungsmaßnahmen zu finden, die zu den Stärken und Schwächen der Organisation passen. In der Wirtschaft überleben in Krisensituationen die Unternehmen, die sich in den immer dynamischeren Märkten am besten bzw. am schnellsten anpassen und/oder auch neu erfinden.

Wie verankert man Resilienz im Unternehmen?

Häufig ist die verfügbare Zeit nach dem Eintreten bzw. insbesondere dem Erkennen einer Verän-derung bis zur Umsetzung erster dringlicher Maßnahmen sehr kurz. Eine ausreichend schnelle An-passung kann nur dann gelingen, wenn bereits eine Grundhaltung in der „DNA“ und somit der Kul-tur des Unternehmens angelegt ist, dass Veränderungen zur normalen Entwicklung des Unter-nehmens gehören und dass es immer wieder auch zu kriseninduzierten Veränderungen kommen kann. Eine positive Grundhaltung (innere Bereitschaft) zur Veränderung im Unternehmen ist die Basis organisationaler Resilienz. Und dies muss für ausreichend viele Stakeholder gelten, eine posi-tive Einstellung Einzelner reicht nicht aus. Es gibt mehrere Konzepte, mit denen man organisationa-le Resilienz aufbauen bzw. stärken kann und die sich gegenseitig stützen und verstärken können:

  • Agilität – ein hoher Grad an Adaptivität und Beweglichkeit, um schnell und friktionsarm neuer Herausforderungen zu bewältigen
    • Strategische Agilität – schnelle Strategiewechsel
    • Operative Agilität – adaptive, flexible Prozesse und Projekte
    • Organisatorische Agilität – schnelle, friktionsarme Neustrukturierungen
  • Redundanz – das Vorhalten von Ersatzsysteme und Ressourcen
    • Funktionsabsicherung durch Dopplungen, Reserven, zusätzliche Mittel
    • Funktionsabsicherung durch Alternativsysteme und -konzepte
  • Robustheit – physische, konzeptuelle und systemische Unempfindlichkeit
    • robuste Infrastrukturen – Unempfindlichkeit der Elemente und System der Infrastruktur
    • robuste Teamkonstitutionen – hohe persönliche Resilienz der Teammitglieder und hohe Resilienz der Gruppe
  • Vereinfachung – die Reduktion um Verkomplizierendes und Verkomplexierendes
    • Entkomplexierung – Vermeidung und Verringerung von Komplexität (Organisation, Prozess, Produkte etc.)
    • Entkomplizierung – Vermeidung und Verringerung von Kompliziertheit
  • Regionalisierung – die Bevorzugung regionaler (nicht zwingend nationaler) vor globalen Partnern
    • Räumliche Regionalisierung – Verkürzung der Wege
    • Kulturelle Regionalisierung – Verringerung sprachlicher, kultureller, rechtlicher Hürden
  • Kontinuität
    • Auf-, Ausbau und Aufrechterhaltung langfristiger guter Beziehungen und Interaktionen der Menschen und institutioneller Partner
    • Das Bewahren eines Kerns relevanter kultureller, systemischer und infrastruktureller Errungenschaften auch unter großen Innovations- und Veränderungsdynamiken
  • Diversifizierung – die Schaffung eines Portfolios von Geschäftsaktivitäten
    • Risikostreuung der Geschäftsaktivitäten
    • Diversifizierung der Lösungsräume

Neben überwiegend präventiven Managementansätzen, wie Risikomanagement, Controlling und Qualitätsmanagement, sind auch überwiegend reaktive Ansätze gefragt, wie Business Continuity Management, Krisenmanagement und Sanierung. All diese Managementansätze haben einen Anteil an der Resilienzbildung und -erhöhung. Entsprechende Maßnahmen wie beispielsweise eine Redundanz von Ressourcen wie Rechenzentren oder Maschinen fördern in Krisenzeiten das Fort-bestehen, belasten allerdings vor der Krise das Unternehmen mit zusätzlichen Kosten

Wie kann eine organisationale Resilienz erreicht werden?

Im Unterschied zu vielen anderen Konzepten, bei dem Menschen sich auf sehr konkret Situationen und Abläufe vorbereiten und dafür konkrete Maßnahmenumsetzungen, Abläufe und Handlungen miteinander trainieren können, ist Resilienz weniger konkret und diffuser und ermöglicht eher keine spezifischen Trainings, sondern eine allgemeine „Ertüchtigung“. Dies kann z.B. durch die Ausprägung einer Fehlerkultur in der Organisation erfolgen. Neue Ideen werden belohnt, auch wenn sie mal nicht gut funktionieren. Wenn Musterbrüche (neue Ideen) gefördert werden, lernt die Organisation, dass ungewöhnliche Maßnahmen hilfreich sein können. Neben der Umsetzung der o.g. Konzepte trägt eine von Optimismus geprägte Haltung vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie insbesondere der Führungskräfte dazu bei, als Individuum und vor allem im Kollektiv Krisensituationen zu bewältigen und daraus gestärkt hervorzugehen. Es ist dazu hilfreich, Beeinflussungen zu akzeptieren, sowie daraus resultierende Bedrohungen, aber eben auch Chancen, zu antizipieren, um eigene Schwachstellen oder auch sich bietende Vorteile im Unternehmen zu erkennen. Wichtig ist, dass Unternehmen und ihre Menschen nicht in einer Opferrolle verharren mit dem reinen Fokus auf die Wiederherstellung eines Status Quo, sondern lösungsorientiert in die Zukunft blicken und veränderungsbereit sind. Dies fordert zugleich auch etablierte Systeme, Methoden und Routinen zu hinterfragen. Die Organisation und ihre Mitarbeiter können die mentale Einstellung und das handwerkliche Können fördern, um fit für die kommende Krise zu sein. Dazu gehören:

  • Analysekompetenz
  • Veränderungsmanagement
  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Kommunikation
  • Projektmanagement
  • Agilität, Kreativität, Innovativität

Es gilt, den Reifegrad der Fähigkeit zur Krisenbewältigung durch operatives Tun zu steigern, ins Ta-gesgeschäft einzubauen. Die konkrete Ausgestaltung der Unternehmensstrategie bestimmt maßgeblich den möglichen Resilienzgrad der Organisation. Es gibt resilienzreduzierende und -förderliche Strategien:

Strategien zur resilienzreduzierung und -förderung.png

Abbildung 2: Strategien zur resilienzreduzierung und -förderung

Wege aus der wirtschaftlichen Krise

In einer existenzbedrohenden Krisensituation ist für das Überleben des Unternehmens und die Vermeidung haftungsrechtlicher Risiken für die Geschäftsführung ein frühzeitiges und umsichtiges Handeln entscheidend. Hierbei muss die Geschäftsführung die Insolvenzantragspflichten der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung beachten (siehe auch §17, §19 InsO der neuen Fassung vom 01.01.2021). Die Insolvenzantragspflichten wurden für corona-bedingte Krisen über mehrere Zeiträume und unter unterschiedlichen Bedingungen vom 01.03.2020 bis zum 30.04.2021 und flut-bedingt rückwirkend ab dem 10. Juli 2021 bis 31. Januar 2022 ausgesetzt. Je nach Ausgangslage müssen mehr oder weniger intensiv eine strategische, operative und/oder finanzielle Restrukturierungen vorgenommen werden. Je früher eine (Re-)Aktion erfolgt, desto größer ist auch der Handlungsspielraum zur Krisenbewältigung. Es stellt sich neben einer Liquiditätssicherung und -steuerung zuallererst die Frage, inwieweit das bestehende Geschäftsmodell zukunftsfähig ist. Vision/Mission und das Leitbild des Unternehmens müssen definiert oder zumin-dest geschärft/angepasst und eine Strategie (Handlungsmaßnahmen zur Erreichung des Leitbildes) abgeleitet werden. Hiermit wird aufgezeigt, auf welche Weise das Unternehmen zukünftig nach-haltig erfolgreich (am Markt) agieren kann. Im Rahmen einer operativen Restrukturierung des Unternehmens sind nicht nur Symptome, sondern die Krisenursachen und deren Folgen zu beseitigen. Häufig werden in derartigen Krisen situationserfahrene Beratungen eingesetzt, um die vorhandenen Möglichkeiten zielgerichtet zu nutzten und das Vertrauen der Stakeholder (wieder) zu gewinnen. Zur Vermeidung einer Liquidation, d.h. Auflösung des Unternehmens und Verwertung der Vermögensgegenstände gibt es in Deutschland verschiedene mehr oder weniger durch gerichtliche (Unterstützungs-)Maßnahmen geförderte Sanierungsmöglichkeiten:

  1. Außergerichtliche Vereinbarungen: Sie sind jederzeit möglich, betreffen in der Regel ausgewählte Stakeholder und sind mit keinen gerichtlichen Maßnahmen verbunden. Nicht mitziehende Gläubiger können nicht zu einer Teilnahme an einem Vergleich gezwungen werden.
  2. Nutzung des präventiven Restrukturierungsrahmens (des am 01.01.2021 in Kraft getretenen StaRUG) für eine finanzwirtschaftliche Restrukturierung: Hierbei können Gruppen nach sachgerechten Kriterien in einen bei Bedarf gerichtlich unterstützten, und dann auch anfechtungsfesten Vergleich ausgewählt und nach definierten Regelungen auch Gläubiger(gruppen) überstimmt werden.
  3. Nutzung der Insolvenzordnung: Dieser, noch mit einem Makel des „Scheiterns“ verbundene Weg ermöglicht eine umfassende strategische, finanzwirtschaftliche und operative Sa-nierung. In der speziellen Form der Eigenverwaltung behält das Management, meist unterstützt durch sanierungs- und verfahrenserfahrene Berater, die Verfügungsgewalt über das Unternehmen. Alle Gläubiger sind nach vorgegebenen Regeln betroffen und können auch überstimmt werden. Zudem können Verträge nach Eröffnung des Verfahrens mit einem reduzierten Aufwand beendet / gekündigt werden. Unterstützt wird das Verfahren zudem noch mit finanziellen Mitteln, dem Insolvenzgeld, bei dem die Mitarbeiter bis zu drei Monate und bis zur Beitragsbemessungsgrenze von der Agentur für Arbeit bezahlt werden.

Neben der Wahl des Weges oder auch einer Kombination der Wege (für verschiedene rechtliche Gesellschaften, ergänzende Regelungen für unterschiedliche Geschäftsbereiche) ist es wichtig, die betroffenen Stakeholder über die Auswirkungen des ausgewählten Weges, aber auch die Auswir-kungen über einen alternativen Weg aufzuzeigen, der gewählt werden muss, wenn ein oder meh-rere betroffene Stakeholder den vorgesehenen Weg nicht mitgehen will.

Literatur

Sommerhoff, B. (2020), Umgang mit der Lage. Krisenbewältigung und Organisationsresili-enz. DGQ Impulspapier, DGQ, Frankfurt

IDW S 6 in der Fassung vom xx.xx.20.xx

Artikel des Facharbeitskreis Controlling und Qualität im Controller Magazin, Zeitschrift Qualitätsmanagement

Ersteinstellender Autor

Facharbeitskreis Controlling und Qualität

Arbeitskreisleiter: Frank Ahlrichs

Homepage: https://www.icv-controlling.com/de/arbeitskreise/controlling-und-qualitaet | Mail: Frank.Ahlrichs@konsequent-sein.de