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Durchsatzrechnung: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 16. August 2019, 13:03 Uhr

Prüfsiegel gültig bis 2022

Zusammenfassung

Die Durchsatzrechnung basiert auf der Engpasstheorie und unterstellt, dass die Wertschöpfung erst dann realisiert ist, wenn das verkaufte Produkt oder Dienstleistung zu Umsatz geworden ist. Drei Kennzahlen bilden eine wirksame Methode für zahlreiche operative Managemententscheidungen. Im Fokus steht immer eine Gesamtoptimierung (globaler Fokus), die üblicherweise in der Praxis anzutreffende Teiloptimierung (lokaler Fokus) unterbleibt.

Begriffsverständnis

Die Durchsatzrechnung, die in den 1980er Jahren von dem Physiker und Unternehmensberater Eliyahu Goldratt entwickelt wurde, geht von der Prämisse aus, den Gewinn zu steigern anstatt nur die Kosten zu senken (Bragg, 2007).

Der Grundgedanke ist, dass Kosten nur bis zu einer unteren Grenze gesenkt werden können, die Einnahmen durch Produktverkäufe jedoch theoretisch unbegrenzt sind. Natürlich gibt es in der Praxis Limitierungen, wie die Aufnahmefähigkeit der Märkte, Verfügbarkeit von Ressourcen etc. Durch die Fokussierung auf Gewinnsteigerung wird die Durchsatzrechnung primär in operativen Unternehmensentscheidungen angewendet, dabei wird das Unternehmen als Ganzes betrachtet. Unwirtschaftliche Teiloptimierungen sind damit ausgeschlossen. Die Durchsatzrechnung basiert auf der Engpasstheorie (Theory of Constraints), die davon ausgeht, dass die Kapazität einer Wertschöpfungskette oder eines Unternehmens durch das schwächste Glied in der Wertschöpfungskette bestimmt wird, das als Flaschenhals oder Engpass bezeichnet wird (Goldratt/Cox, 2013). Ein Unternehmen kann dabei mehrere Engpässe aufweisen.

Die Durchsatzrechnung richtet den Fokus auf das Management des Engpasses und führt bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen häufig zu völlig anderen Ergebnissen als mit den klassischen Kennzahlen. Sie basiert auf den drei grundlegenden Kennzahlen Durchsatz, Investitionen und Betriebsausgaben. Selbstverständlich ist jederzeit eine Überführung der Kennzahlen der Durchsatzrechnung in die Kennzahlen der Kostenrechnung möglich.

Kennzahlen der Durchsatzrechnung

Die Durchsatzrechnung geht davon aus, dass erst durch den Verkauf eines Produktes eine Wertschöpfung entsteht und nicht, wie in der klassischen Kostenrechnung unterstellt, schon bei unverkauften, aber bearbeiteten unfertigen oder fertigen Erzeugnissen. Als Konsequenz gibt es keine fiktiven Preise für innerbetriebliche Leistungen oder Verrechnung von Gemeinkosten auf die einzelnen Produkte. Typischerweise geht die Durchsatzrechnung von folgenden drei Kennzahlen aus, die völlig andere Definitionen haben, als von der klassischen Kostenrechnung bekannt (Schlesinger, 2014). Es wird immer ein bestimmter Zeitraum (Jahr, Quartal, Monat) betrachtet.

• Durchsatz (T)

• Investitionen / Inventar (I)

• Betriebskosten (OE)

Hieraus lassen sich weitere, auch von der klassischen Kosten- und Leistungsrechnung bekannte Kennzahlen berechnen:

• Nettogewinn (NP)

• Return on Invest (ROI)

• Produktivität (P)

• Bestandsumschlag (BU)

Kennzahl 1: Durchsatz

Der Durchsatz (Throughput) ist die Differenz zwischen den Verkaufserlösen (Sales) pro Zeiteinheit und den für diesen Verkaufserlös tatsächlich anfallenden echten variablen Kosten (Totally Variable Costs)

T = S – TVC

Der Durchsatz entspricht dem Deckungsbeitrag, allerdings sind die variablen Kosten anders als üblich definiert.

Echte variable Kosten sind in der Durchsatzrechnung alle Kosten, die in ihrer Höhe direkt proportional zur produzierten Menge an Gütern und Dienstleistungen sind. Es werden nur solche Kosten betrachtet, die direkt in das Produkt einfließen, eine Umlage von Kosten findet nicht statt. Echte variable Kosten sind beispielsweise Kosten für Rohstoffe und Zukaufteile, aber auch Frachtkosten und Verkaufsprovisionen, wenn sie in direktem Verhältnis zur Anzahl der verkauften Produkte stehen.

Kennzahl 2: Investitionen / Inventar

Die Investitionen I umfassen das im Unternehmen investierte Kapital. Neben den Beständen sind hier auch die Ressourcen für die Produktion, z.B. Grundstücke, Maschinen, Fahrzeuge und Büroausstattung beinhaltet. Die Investitionen fließen, im Gegensatz zu den echten variablen Kosten, nicht in das Produkt ein. Bestände (Umlaufbestand, Materialbestand, Fertigwarenbestand) werden nur zu ihren Beschaffungskosten bewertet, die erfolgte Wertschöpfung in der Produktion wird nicht berücksichtigt.

Kennzahl 3: Betriebsausgaben

Betriebsausgaben (Operating Expenses) sind in der Durchsatzrechnung die Summe aller sonstigen Ausgaben des Unternehmens im Betrachtungszeitraum, umfassen also alles außer den echten variablen Kosten und den Investitionen. Dazu gehören Löhne, Mieten, Vertriebskosten, administrative Kosten. Es gehört auch der Ausschuss in der Produktion dazu. Die Betriebsausgaben sind das Geld, das für die Erzeugung der Produkte ausgegeben wird. Allerdings erfolgt keine Umlage der Betriebsausgaben auf die einzelnen Produkte, wie bei der Kostenträgerrechnung, sondern alle Betriebsausgaben werden immer in Summe betrachtet. Hierdurch bleibt die globale Sicht auf das Unternehmen gegeben, eine lokale (Sub)optimierung erfolgt nicht.

Aus den genannten Kennzahlen lassen sich folgende Kenngrößen ableiten:

• Nettogewinn (NP) = Durchsatz (T) – Betriebskosten (OE)

• Return on Invest (ROI) = Net Profit (NP) / Investitionen/Inventar (I)

• Produktivität (P) = Durchsatz (T) / Betriebskosten (OE)

• Bestandsumschlag (BU) = Durchsatz / Investitionen/Inventar (I)

Für Entscheidungen, die auf Basis der Durchsatzrechnung getroffen werden, gilt folgende Zielvorgabe:

• Steigerung des Durchsatzes

• Senkung der Investitionen/Inventar

• Senkung der Betriebsausgaben

Bei jeder betrieblichen Entscheidung ist zu ermitteln, welcher Einfluss auf die drei Kennzahlen gegeben ist.

Anmerkungen und Erläuterungen

Die Durchsatzrechnung geht davon aus, dass es in einer Wertschöpfungskette einen Engpass als limitierenden Faktor gibt. Engpässe können in verschiedenen Formen auftreten. Ein wesentlicher Engpass ist die Leistungsfähigkeit einer Produktionsanlage. Es gilt, den Engpass optimal auszunutzen. Vor- und nachgelagerte Prozessschritte (Maschinen) sind untergeordnet, da sie genügend Kapazität haben.

Folgende generellen Unterschiede zur traditionellen Kostenrechnung sind gegeben:

• Eine Verrechnung von Gemeinkosten auf Kostenträger (Produkte) findet nicht statt.

• In der traditionellen Kostenrechnung werden die vorhandenen Ressourcen maximal genutzt (Fixkostendeckung). In der Durchsatzrechnung darf von den dem Engpass vorgelagerten Prozessschritten nur so viel produziert werden, dass eine jederzeitige Versorgung des Engpasses gewährleistet ist. Hierzu wird ein gewisser Sicherheitsbestand (Schutzbestand) aufgebaut. Im Ergebnis führt das dazu, dass vor- und nachgelagerte Arbeitsschritte nicht zu 100 % ausgelastet sind.

• Eine Umlage von sekundären Kosten nach irgendwelchen Kriterien (Schlüsseln) gibt es in der Durchsatzrechnung nicht. Alle Kosten, die nicht echte variable Kosten sind, werden gesammelt und als Betriebsausgaben vom Durchsatz abgezogen. Die Durchsatzrechnung findet Anwendung in der Durchsatzanalye, bei Investitionsentscheidungen und bei der Erlösplanung und liefert hier zumeist völlig andere Ergebnisse und damit andere Entscheidungen als bei Anwendung der klassischen Kostenrechnung.

An einem einfachen Beispiel aus der Produktion soll die Wirkung der Durchsatzrechnung gezeigt werden. Jede nichtgenutzte Produktionsstunde der Engpassmaschine verringert die Produktionsmenge, damit den erzielbaren Umsatz und damit den erzielbaren Durchsatz. Hieraus ergibt sich, dass die Abschaltung während bezahlter Pausen, für Rüstvorgänge oder auch die Produktion von Ausschuss im Fokus stehen. Die Durchsatzrechnung untermauert eindrucksvoll, dass hierdurch enorme Potentiale gehoben werden können.

Beispiel: In vielen Unternehmen ist es üblich, dass Anlagen während der bezahlten Pausen abgestellt werden. Die traditionelle Kostenrechnung und die Durchsatzrechnung bewerten dieses völlig unterschiedlich, wobei für die Durchsatzrechnung nur die Engpassmaschine interessant ist.

Annahmen: • Die Engpasskapazität beträgt 20 Produkte pro Stunde, es wird in 3 Schichten von Montag-Freitag produziert = 20 Arbeitstage pro Monat.

• Die Bruttomarge des hergestellten Produkts beträgt 4 EUR pro Stück .

• Die monatlichen Betriebskosten des gesamten Produktionsbereiches betragen 1,2 Mio. EUR. Für die Bewertung einer täglichen Pause von 1,0 Stunden (3 Schichten zu je 20 min) ergibt sich:

Durchsatzrechnung 1.jpg

Bei Anwendung der Durchsatzrechnung könnten sogar extrem teure Aushilfskräfte die Anlage während der Pause bedienen. Ähnlich verhält es sich bei ungeplanten Anlagenstillständen infolge technischer Störungen, Material- oder Mitarbeitermangel (Fischer, 2012).

Fazit Die Durchsatzanalyse ist ein wirksames Instrument, um gute Managemententscheidungen zu treffen. Allerdings steht dem häufig die tiefe Verwurzelung der klassischen Kostenrechnung entgegen. Dass direkte Lohnkosten nicht zu den variablen Kosten gehören sollen, wie in der Durchsatzrechnung vorausgesetzt, ist für viele Controller nur schwer nachvollziehbar. Gleiches gilt für die Betrachtung von Gemeinkosten, die hier nicht auf die Produkte (Herstellkosten) umgelegt werden.

Literatur

Bragg, S.M., Throuput Accounting, 2007.

Fischer, R., Drum-Buffer-Rope: Durch optimierten Engpass zum optimalen Ergebnis, in: Klein, A./ Schnell, H. (Hrsg.), Controlling in der Produktion, 2012, S. 105-120.

Goldratt, E./ Cox, J., Das Ziel: Ein Roman über Prozessoptimierung, 9. Aufl., 2013.

Schlesinger, T., Einführung in die Durchsatzrechnung, 2014.

Ersteinstellender Autor

Prof. Dr. Rüdiger Fischer, SRH Hochschule Heidelberg. [1]